Rom: Wie die „Pforte zur Hölle“ Opfertiere tötete

Aus der Erde strömte der „tödliche Atem des Kerberos“: Kohlendioxid. Opfernde Priester überlebten es.

Kann man in die Hölle gehen und unversehrt zurück kehren? Die Römer glaubten es nicht nur, sie hatten Weihestätten, in denen es vor Augen geführt wurde, von Priestern, die Opfertiere mit sich führten, kleine, aber auch Stiere. Die fielen vor dem Eingang der Hölle tot um, die Priester schritten weiter, ihre Rückkehr wurde gefeiert, von Gläubigen, die das Schauspiel in einem Amphitheater genossen.

Eine dieser „Pforten zur Hölle“ wurde vor sieben Jahren wieder entdeckt, eine Grotte in Hierapolis in Kleinasien, sie hieß „Plutonium“, weil sie zu Pluto führte, dem Gott der Unterwelt: „Der Ort ist so dunstig, dass man kaum den Boden sehen kann. Jedes Tier fand sofort den Tod. Ich habe Spatzen hinein geworfen, und sie machten sofort ihren letzten Atemzug.“ Das überlieferte der griechische Historiker Strabo: Spatzen und andere Tiere konnten die Pilger bei den Tempelhütern kaufen und sie dann dem aussetzen, was sie für den „tödlichen Atem des Kerberos“ hielten, des Wachhundes der Hölle.

Den Priestern half die Körpergröße

Diesen Dunst hat nun Vulkanbiologe Hardy Pfanz (Duisburg-Essen) näher ins Auge genommen: Die Region ist seismisch aktiv, in ihr gibt es Heilquellen, und was da aus dem Boden quoll und quillt, ist Kohlendioxid (CO2), ein Gas, das schwerer ist als Luft. Wo es sich auf die Erde legt und sie verdrängt, stirbt alles, das bekamen etwa die Anrainer des Lake Nyos in Kamerun zu spüren, als 1986 riesige Gasblasen aus dem Wasser stiegen, sie brachten 1800 Menschen und Tausenden Tieren den Tod. Im Plutonium hingegen starben nur Tiere, die Priester blieben verschont: Strabo vermutete, dass es daran lag, dass sie kastriert waren.

Aber sie waren nur groß. Vor allem am Morgen war die CO2-Schicht hoch, das Gas stieg selbst Stieren in die Nüstern, dann ließen sie den Kopf hängen, die Priester hingegen stellten sich bisweilen auf Steine. Und wenn sie die Grotte betraten, hielten sie vermutlich den Atem an (Archaeological and Anthropological Sciences 12. 2.). Um so tiefer Luft holten die Priesterinnen an einer anderen Stätte, an der etwas aus dem Boden quoll: in Delphi. Dort dünstete die Erde ein wenig CO2 aus und viel Methan, dieses Grubengas machte die Luft so dünn bzw. sauerstoffarm, dass sie die Seherinnen – Pythias – in die Trance bzw. Halluzinationen versetzte, der die Orakel entsprangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2018)

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