Ganz britisch, liebte es Stephen Hawking, gegen andere Physiker zu wetten. Seine drei berühmten "wagers" hat er alle verloren. Doch ihre Geschichte spiegelt seine Theorien gut wider.
Es ist die wohl berühmteste Wette der Physik, und sie zeigt wie sonst nur eine ganze Staffel „Big Bang Theory“, wie bubenhaft die Physikerwelt sein kann: 1974 wetteten Kip Thorne, der 2017 zum Nobelpreisträger werden sollte, und Stephen Hawking über die Natur des Doppelsternsystems Cygnus X-1. Thorne setzte darauf, dass einer der beiden Sterne in Wahrheit ein Schwarzes Loch sei, Hawking hielt dagegen – obwohl er, was damals noch nicht gang und gäbe war, an die Existenz von Schwarzen Löchern glaubte.
„Das war eine Art von Versicherungspolizze für mich“, schrieb er in seiner „kurzen Geschichte der Zeit“, „ich habe viel über Schwarze Löcher gearbeitet, und das wäre alles umsonst gewesen, wenn sich herausstellte, dass Schwarze Löcher nicht existieren. Aber in diesem Fall hätte ich den Trost, die Wette zu gewinnen und würde vier Jahre lang kostenlos die Zeitschrift ,Private Eye‘ beziehen.“ Diese satirische Zeitschrift las er nämlich gern, während Kip Thorne sich für den Fall seines Sieges ein Abonnement der Männerzeitschrift „Penthouse“ zustand. Er bekam dieses auch, wie Hawking in der aktualisierten Ausgabe der „kurzen Geschichte“ schrieb, „sehr zum Ärger seiner feministisch gesinnten Frau“.
Information in die Außenwelt?
Die nächste Wette (1997) schlossen Hawking und Thorne gemeinsam – gegen John Preskill, der darauf setzte, dass aus Schwarzen Löchern, so zerstörerisch sie auch sind, doch noch Information in die Außenwelt dringen kann. Thorne und Hawking wollten das nicht glauben: Die Strahlung, aus Schwarzen Löchern stamme nicht aus deren Inneren, meinten sie, obwohl sie wussten, dass das der Quantentheorie widersprechen würde. Dem Wettsieger winkte diesmal eine „Enzyklopädie seiner Wahl, aus der er jederzeit Information entnehmen könne“. 2004 gab Hawking, der die Wette mit seinem Fingerabdruck unterzeichnet hatte, die Niederlage zu – und übermittelte Preskill eine Ausgabe von „Total Baseball, The Ultimate Baseball Encyclopedia“. Die Information, die aus Schwarzen Löchern komme, sei freilich so nutzlos, scherzte Hawking, dass er Preskill besser die Asche einer verbrannten Baseball-Enzyklopädie geben hätte sollen.
Ans Higgs glaubte er nicht
Auch eine dritte Wette verlor Hawking, bei der er allerdings nur 100 Dollar eingesetzt hatte: Er hatte darauf gesetzt, dass das Higgs-Boson nie gefunden werde. 2012 wurde es, wenn auch ziemlich indirekt, im Teilchenlabor des Cern nachgewiesen, und Hawking gab seine Niederlage zu.
Das Higgs-Boson war freilich nie Gegenstand seiner Forschung gewesen, in Gegensatz zu den Schwarzen Löchern – deren Existenz ja aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie deduziert wurde, lange bevor die Astronomen überzeugende Evidenz für sie fanden. Gemeinsam mit Roger Penrose bewies er, dass die Einsteinschen Feldgleichungen zu Singularitäten führen, zu Zuständen, in denen die Krümmung der Raumzeit und die Dichte der Materie unendlich werde. Eine solche Singularität habe im Urknall geherrscht (die Leser mögen die Zeitform des Satzes verzeihen).
Es habe viel Widerstand gegen diese Arbeit gegeben, schrieb Hawking in der „kurzen Geschichte“, teils von Marxisten, denen die Singularitäten zu wenig deterministisch waren, teils aus ästhetischen Gründen, aber: „Mit einem mathematischen Theorem lässt sich schlecht streiten.“ Schalkhaft fügte er hinzu: „Die Sache hat nur einen Haken: Inzwischen habe ich meine Meinung geändert und versuche jetzt, andere Physiker davon zu überzeugen, dass das Universum nicht aus einer Singularität entstanden ist.“ Quanteneffekte würden das möglich machen.
Das Vakuum ist nie leer
Die beiden großen Theorien der Physik des 20. Jahrhunderts, die Quantentheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie, sind ja bis heute nicht unter einen Hut – respektive in eine allumfassende Theorie – gebracht, und es ist gut möglich, dass sie es nie sein werden. Hawkings – stets rein theoretische – Forschung galt oft Phänomenen, in der beide Theorien mitreden. Etwa der nach ihm benannten Hawking-Strahlung, die sich sehr grob so erklären lässt: Die Quantentheorie erlaubt, ja: fordert, dass das Vakuum nie völlig leer ist, nein, die Unschärferelation sagt, dass in ihm dauernd Paare von Teilchen entstehen, die eben nur so kurz leben, dass die Unschärferelation (diesfalls: Unschärfe der Zeit mal Unschärfe der Energie ist konstant) erfüllt bleibt. Wenn ein Teilchen eines solchen Paares ins Schwarze Loch fällt, hat das andere positive Energie und entkommt als Strahlung in die Außenwelt. Sein ins Loch gefallener Partner hat negative Energie, und um die entsprechende Masse (M=E/c2) leichter wird das Schwarze Loch.
Schwarze Löcher haben keine Haare
Hawking leitete auch Formeln für Entropie und Strahlungstemperatur Schwarzer Löcher ab – und hielt daran fest, das diese Größen die einzige – und ziemlich dürftige – Information sind, die das Schwarze Loch aussendet. Dieses ist ja überhaupt ein zwar monströses, aber schlichtes Wesen: Es ist wird durch Masse, Drehimpuls und eventuell elektrische Ladung vollständig beschrieben; „Schwarze Löcher haben keine Haare“, sagte John Archibald Wheeler. Dieses „No-Hair-Theorem“ bedeutet allerdings, dass in Schwarzen Löchern Information verloren geht – was wiederum bedeutet, dass sich die Geschichte eines Schwarzen Lochs zeitlich nicht umkehren lässt, was den Physikern gar nicht gefällt.
Im Umgang mit diesem „Informationsparadoxon“ wechselte Hawking 2004, bei einem Kongress über Allgemeine Relativitätstheorie seinen Standpunkt: Information bleibe doch erhalten, sagte er, und stützte sich auf eine neue Formulierung der Quantengravitation. Die Wette gegen Preskill, in der er das Gegenteil behauptet hatte, gab er in diesem Sinn verloren.