Weltraumtaugliches Material

Barbara Putz möchte die Stabilität von Verbundwerkstoffen bei starken Temperatureinflüssen verbessern.
Barbara Putz möchte die Stabilität von Verbundwerkstoffen bei starken Temperatureinflüssen verbessern.(c) Helmut Lunghammer (Photoreport Helmut Lunghammer)
  • Drucken

Die Materialwissenschaftlerin Barbara Putz forscht an Superisolatoren für Satelliten und Raumfahrzeuge. Sie müssen extremen Temperaturschwankungen standhalten können.

Die Werkstoffe, die Barbara Putz für ihre Dissertation untersucht hat, befinden sich gerade auf der Reise zum Planeten Merkur. „Es ist toll, dass meine Ergebnisse gleich angewandt werden können“, freut sich die Nachwuchswissenschaftlerin. Diese wurden bei der Konstruktion der europäisch-japanischen Forschungssonde BepiColombo eingesetzt. Putz hat an der Montanuniversität Leoben Werkstoffwissenschaft studiert und ist seit dem Vorjahr Postdoc am ebenfalls in der obersteirischen Industriestadt angesiedelten Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die 28-Jährige arbeitet an funktionalen Materialien und flexiblen Dünnschichtsystemen. „Letztere bestehen aus ultradünnen Metallschichten in der Größenordnung von etwa 100 Nanometern, die auf nachgiebige Polymerfolien aufgetragen werden“, erklärt sie.

6000 thermische Zyklen pro Jahr

Die biegsamen Verbundwerkstoffe verwendet man in Mikroelektronikbauteilen wie etwa roll- und faltbaren Bildschirmen. Und eben in der Raumfahrt, dem Forschungsfokus ihrer Doktorarbeit. Diese entstand in Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und war mit einem siebenmonatigen Aufenthalt am Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC in den Niederlanden verbunden. „Das Spannende an der Raumfahrt sind ihre Komplexität und Interdisziplinarität“, findet Putz. „Die Missionen werden auf Jahrzehnte im Voraus geplant, und die Raumfahrzeuge sind jahrelang unterwegs, bis es ihnen schließlich gelingt, punktgenau auf einem durchs Weltall rasenden Planeten oder Kometen zu landen – das ist doch faszinierend.“ Teil eines Teams zu sein, das dazu beiträgt, gefällt ihr. Dabei hat sich die Studienwahl der in Leoben geborenen und im nahen Niklasdorf aufgewachsenen Forscherin eher zufällig ergeben. „Ich wollte nach der Matura gern in der Nähe meiner Familie bleiben, und mit meiner naturwissenschaftlichen Begabung hat sich die Montanuni angeboten“, erzählt sie. „Die Vielfalt der Werkstoffwissenschaft hat mich aber von Anfang an begeistert.“

In ihrer Doktorarbeit konzentrierte sich Putz vor allem auf die Grenzflächen von Metall-Kunststoff-Kombinationen für Mikroelektronik- und Raumfahrtanwendungen, etwa als thermische Superisolatoren für Satelliten. „Die enormen Temperaturunterschiede im Weltall können dazu führen, dass sich die Grenzflächen zwischen den einzelnen Schichten chemisch und mechanisch verändern und dadurch weniger gut auf den Polymerfolien haften.“ Dadurch bedingte Materialschädigungen seien kritisch für Satelliten, die sich ja mehrere Jahre im Orbit befinden.

Schon in der erdnahen Umlaufbahn erfahren Raumsonden oder Satelliten jährlich rund 6000 thermische Zyklen von plus/minus 100 Grad Celsius. Putz hat die unterschiedliche Sonneneinstrahlung auf einen Satelliten bei der Erdumrundung im Labor durch abwechselndes Erhitzen und Kühlen nachgestellt und die Schädigungsprozesse des Materials mikroskopisch, chemisch und mechanisch analysiert. So konnte sie die Schwächen gegenwärtig verwendeter Schichtsysteme identifizieren.

Für ihre Arbeit hat Putz heuer nicht nur den Award of Excellence, den Staatspreis für die besten Dissertationen, und die Graduate Student Award Silver Medal an der Konferenz für metallurgische Beschichtungen und dünne Schichten in San Diego (USA) bekommen, das L'Oréal-Stipendium für Frauen in der Wissenschaft ermöglicht ihr nun auch ein Folgeprojekt: Um gegen die bestehenden Probleme anzugehen und die Materialien zuverlässiger zu machen, möchte sie neuartige Schichten entwickeln.

Nach dem L'Oréal-Preis-Projekt will sie zwei Jahre ins schweizerische Thun an die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa gehen. „Die ideale Kombination aus renommiertem Forschungsinstitut und einer Umgebung, in der ich wunderbar meine Hobbys pflegen kann.“ Die Steirerin ist nämlich nicht nur Klarinettistin in der Werkskapelle Niklasdorf, sondern liebt auch sämtliche Bergsportarten vom Skifahren bis zum Klettern.

ZUR PERSON

Barbara Putz (28) hat an der Montanuni in ihrer Geburtsstadt Leoben Werkstoffwissenschaft studiert und 2017 promoviert. Sie ist Postdoc am Institut für Materialwissenschaften der ÖAW und erforscht ultradünne, aus Schichten aufgebaute Materialien, die in flexibler Elektronik oder als thermische Isolatoren in der Raumfahrt eingesetzt werden. Dafür wurde sie u. a. mit dem L'Oréal-Preis für Frauen in der Wissenschaft ausgezeichnet.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.