Nach allen Regeln der Kunst durchleuchtet

Per Röntgenfluoreszenz-Analyse kann z. B. die Bleiverteilung auf Gemälden ermittelt werden – hier an einem Bild Rembrandts aus der Residenzgalerie Salzburg.
Per Röntgenfluoreszenz-Analyse kann z. B. die Bleiverteilung auf Gemälden ermittelt werden – hier an einem Bild Rembrandts aus der Residenzgalerie Salzburg.KHM
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Mit modernen naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden kann man heute Fälschungen zweifelsfrei nachweisen, aber auch mehr über die Entstehungsgeschichte von Kunstwerken herausfinden.

Wir leben heute in Hochzeiten von Fake News und anderen Verdrehungen der Wahrheit. Doch dieser „freie“ Umgang mit Fakten ist keine neue Erfindung: Gefälscht und gelogen wurde auch in früheren Zeiten – auch und gerade im Mittelalter: Schätzungen zufolge ist mehr als die Hälfte aller mittelalterlichen Urkunden gefälscht.

Ein solcher Fall ist das „Privilegium maius“, mit dem sich Rudolf IV., der Stifter, um 1360 Vorrechte des Hauses Habsburg verschaffen wollte. Schon seine Zeitgenossen wussten, dass bei dieser Serie von fünf Urkunden (die angeblich aus den Jahren 1085, 1156, 1228, 1245 und 1283 stammten) nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Dennoch wurde der Urkundenkomplex zur Basis der späteren Vorherrschaft der Habsburger im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Mit welcher Akribie die Fälscher in der Kanzlei des Herzogs vorgegangen sind, kann man derzeit in einer Kabinettausstellung im Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM) nachvollziehen: Dort sind nicht nur alle relevanten Urkunden (erstmals gemeinsam) zu sehen; es werden überdies Ergebnisse von Analysen mit modernsten naturwissenschaftlichen Methoden vorgestellt. Neben Infrarot- und Röntgenaufnahmen sowie gaschromatographischen Untersuchungen wurden dabei auch Röntgenfluoreszenz-Analysen durchgeführt: Mit dieser Methode können viele chemische Elemente und deren Verteilung auf einem Bildträger nachgewiesen werden (siehe Lexikon).

Dabei zeigte sich z. B., dass die Kalbspergamentblätter nach allen Regeln der Kunst mit einer Mischung aus Eisengallus- und Rußtinten beschrieben und von zweiter Hand mit prächtigen Initialen aus bleihaltiger Tinte ausgestattet wurden. Die Blätter wurden danach künstlich gealtert und mit originalen Siegeln von älteren Urkunden versehen. Per Röntgenuntersuchung konnte gezeigt werden, dass die Siegel dabei beschädigt und fehlerhaft wieder zusammengesetzt wurden; dank Ausbesserungen mit Bienenwachs sehen sie zwar von außen original aus, bei der Durchleuchtung fand man aber Spuren der Manipulation.

Das „Privilegium maius“ ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr die kultur- und kunstgeschichtliche Forschung von modernen Untersuchungsmethoden profitieren kann. Ein anderes Beispiel findet sich im selben Haus einen Stock höher: Auch bei der Vorbereitung zur großen Bruegel-Ausstellung kamen innovative Analyseverfahren zum Einsatz. Das Ziel war dort freilich nicht, eine Fälschung zu entlarven – ein solches Ergebnis wäre angesichts des weltberühmten Bestands im KHM eine unliebsame Sensation gewesen. Vielmehr sollte der Entstehungsprozess der mehr als 400 Jahre alten, faszinierenden Bilder nachvollzogen werden. Überdies wollte man Informationen zur bestmöglichen Erhaltung dieses Schatzes gewinnen.

Kameraroboter im Einsatz

Zu diesem Zweck wurden in einem von der Getty Foundation geförderten mehrjährigen Projekt von allen Wiener Bruegel-Gemälden hochauflösende Fotografien und Infrarotaufnahmen gemacht – dadurch werden u. a. Vorzeichnungen sichtbar. Die Tafeln wurden zudem mit Röntgenstrahlen durchleuchtet, um z. B. den Zustand des Holzes, aber auch spätere Ausbesserungen zu erkennen.

Dafür wurde an der TU Wien im Auftrag des KHM ein computergesteuertes Kamerapositionierungssystem entwickelt, das mit unterschiedlichsten Kameras ausgestattet werden kann und es ermöglicht, Hunderte einzelne Detailaufnahmen zu einer digitalen Reproduktion zusammenzusetzen.

Die Ergebnisse werden kommende Woche (von 6. bis 8. Dezember) bei einem internationalen Symposium im KHM präsentiert, einige Highlights sind bereits in der Ausstellung dokumentiert. Und auch die Website www.insidebruegel.net ist ein Produkt dieser akribischen Forschungsarbeit: Dort kann jedermann und -frau höchstaufgelöste Aufnahmen in unterschiedlichen Wellenbereichen betrachten – und in ungeahnter Detailfülle die Kunst von Pieter Bruegel d. Ä. bestaunen.

LEXIKON

Röntgenfluoreszenz-Analyse. Neben Untersuchungen im Infrarot- und Ultraviolettbereich wird die RFA immer beliebter: Dabei wird ein Untersuchungsobjekt mit Röntgenstrahlung behandelt, die manche Elektronen aus ihren Bahnen herausschlägt und damit anregt; beim Zurückfallen in den ursprünglichen Zustand senden die Elektronen eine Fluoreszenz-Strahlung aus, die für ein chemisches Element spezifisch ist.
Dies ermöglicht eine Identifizierung
und Konzentrationsbestimmung sehr vieler Elemente.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2018)

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