Die Wildbienen aus dem Weingarten

Wildbienen sind wichtige Bestäuber für Wild- und Kulturpflanzen, Weingärten dezimieren ihre Zahl aber erheblich.
Wildbienen sind wichtige Bestäuber für Wild- und Kulturpflanzen, Weingärten dezimieren ihre Zahl aber erheblich.(C) Sophie Kratschmer
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Eine grenzüberschreitende Studie untersucht Bodenbearbeitung und Landschaftselemente: Wie wirkt sich die Bewirtschaftung des Weingartens auf die Insekten aus?

Hallo, da bin ich! Ich bin eine Blüte“, das sage der Weinstock mit seiner Blütenform nicht wirklich, erzählt Sophie Kratschmer amüsiert. Als überwiegender Selbst- und teilweiser Windbestäuber braucht er die Insekten nicht. „So eine Weinblüte ist recht unattraktiv für die Wildbienen – fad, nicht bunt, ohne Nektar“, erklärt die Wissenschaftlerin vom Institut für Integrative Naturforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien. Das Forschungsprojekt „Vine Divers“ untersucht gemeinsam mit vier anderen EU-Ländern, wie sich unterschiedliche Umbruchshäufigkeiten in den Fahrgassen des Weingartens auf Wildbienen auswirken. Es ist ein vom Wissenschaftsfonds FWF finanziertes Projekt im Rahmen des internationalen „BiodivERsA“-Netzwerks.

„Umbrechen klingt immer so schlimm“, sagt Kratschmer, es seien aber lediglich zehn bis zwanzig Zentimeter, nichts, wofür der Bauer einen tiefen Pflug braucht. Aber weil Gras und andere Pflanzen für den Weinstock eine Wasser- und Nährstoffkonkurrenz darstellen können, ist es eine gängige Bewirtschaftungsmethode. Kratschmer forscht auf Flächen, die entweder dauerbegrünt, zur Gänze offen gehalten oder alternierend umgebrochen wurden, wo also jede zweite Fahrgasse begrünt war. Für dieses sogenannte Vegetationsmanagement gilt: je weniger, desto besser.

Mediterrane Hotspots

Bei der Studie überrascht haben vor allem die Begebenheiten auf den andalusischen Flächen. Mediterrane Gebiete wie diese sind eigentlich Wildbienen-Hotspots. In den heißen Gegenden Spaniens halten die Winzer allerdings oft das ganze Jahr über den Boden offen. Diese intensive Bewirtschaftung hat einen nachweislichen Effekt auf das Leben rund um die Weinstöcke. Das Summen, Surren und Blühen, das sich gegenseitig braucht, verschwindet nach und nach. Gefunden wurden in den andalusischen Weingärten nur 20 Arten, extrem wenige im Vergleich zu den insgesamt über 1000 in Spanien vorkommenden Wildbienenarten.

Hierzulande wächst im Winter und Frühling nicht nur sprichwörtlich Gras über die Sache. Nimmt ein Betrieb an der Öpul-Maßnahme „Erosionsschutz Wein“ teil, darf er, abhängig von der Hangneigung, nicht oder erst ab Ende April den Boden umbrechen. Mindestens genauso wichtig ist für die Insekten, was rund um die Weingärten passiert. Strukturreiche Landschaften wirken sich positiv auf die Wildbienen im Weingarten aus. Ausschlaggebend ist das Blütenangebot – je mehr davon über das Jahr verteilt Pollen und Nektar anbieten, desto besser. Der eine oder andere Blüh- oder Brachstreifen macht aus Bienensicht schon einen großen Unterschied, in Mitteleuropa baut die Hälfte der Wildbienen ihre Nester in Bodenlöchern. Regelrechte Wildbienen-Hotspots seien offene Flächen, wie sie die Forscherin in Göttlesbrunn, in Carnuntum, rund um Purbach und in Breitenbrunn gefunden hat.

In jedem der vier beteiligten Länder wurden festgelegte Untersuchungsabschnitte in 16 Weingärten untersucht. Die Forscher beobachteten für eine Viertelstunde, was dort kreucht und fleucht. Honigbienen und Hummeln konnten sie gleich im Feld bestimmen. Bei Wildbienen ist das aber selten möglich, denn in Österreich kommen ungefähr 700 Arten vor. Sie müssen mit dem Insektennetz eingefangen, in einen klassischen Insektenkasten genadelt und unter dem Mikroskop untersucht werden. Kratschmer zieht dabei beispielsweise das erste Segment des Hinterleibes zur Bestimmung heran: Wie stark ist die Punktierung des Chitinpanzers? Wie groß sind die Punkte und in welchem Abstand zueinander?

Erstfunde seltener Arten

Im Laufe des Projektes fand man eine hierzulande neue Bienenart: die Runzelbrust-Schmalbiene (Lasioglossum laterale), sie war bisher nur in mediterranen Gebieten bekannt und ist selbst dort selten. In Spanien gab es den europaweiten Erstfund der Sandbiene Andrena varia. Und auch die Ungarische Hummel (Bombus haematurus) kommt mit ihren kleinen Völkern selten vor, breitet sich jedoch im Osten Österreichs aus. Zwei Spiralhornbienenarten konnten in den österreichischen Weingärten dagegen häufig nachgewiesen werden. Wildbienen sind wichtige Bestäuber, sowohl für Wildpflanzen als auch für Kulturpflanzen. Derzeit lässt sich das beispielsweise bei Obstbäumen beobachten: Hier schwirrt die rostrote Mauerbiene zwischen den Blüten. Sie wurde vom Österreichischen Naturschutzbund zum Insekt des Jahres 2019 erklärt.

IN ZAHLEN

700 Wildbienenarten gibt es ca. in Österreich, etwas mehr als die Hälfte davon gräbt Nester in den Boden, ein Viertel nistet oberirdisch.


25 Prozent der Wildbienen sind sogenannte Kuckucksbienen, die ihre Eier in das Nest einer anderen Art schmuggeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2019)

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