Ein Quäntchen Hoffnung auf den Supertransistor

Eli Yablonovitch forscht an Transistoren, die Quanteneffekte nutzen.
Eli Yablonovitch forscht an Transistoren, die Quanteneffekte nutzen.Adam Lau / Berkeley Engineering
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Ein kleiner Schritt für ein Elektron, ein riesiger Sprung für die IT: Ein Amerikaner hofft, mit Quantenmechanik den Stromverbrauch von Computern zu senken. Es wäre eine Revolution.

Wir sind verwöhnt. Dank des Mooreschen Gesetzes werden unsere Computer immer kleiner und leistungsfähiger. Die Regel, nach der sich alle zwei Jahre die Transistordichte (siehe Lexikon) auf einem Schaltkreis verdoppelt, hält auch nach über 50 Jahren noch. Immer mehr Elektronen schießen durch immer kleinere Chips – und das ist ein Problem.

Stromsparender Tunneleffekt

Denn die Laptops und Handys, die wir heute mit uns herumtragen und von denen aus wir Datenzentren auf der ganzen Welt aktivieren, regen den Energieverbrauch an. Facebook, Apple und Co. werden so zum Klimakiller: Ohne weitere Innovationen könnte im Jahr 2030 mehr als ein Fünftel der weltweiten Treibhausgasemissionen auf die Informationstechnologie zurückgehen.

„Bisherige Fortschritte bei der Leistungsfähigkeit von Computern verdanken wir der Miniaturisierung. Aber die Erfolge hier sind gefeiert. Viel kleiner kann es nicht werden“, sagt Eli Yablonovitch, Physiker an der University of California in Berkeley. Auf Einladung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) präsentierte Yablonovitch am Donnerstag in Wien seine Lösung für das Problem. Die Zukunft des Schaltkreises sei die Quantenmechanik: „Wir könnten einen Transistor bauen, der den Quantentunneleffekt nutzt. Dabei machen wir uns eine Beobachtung Erwin Schrödingers zunutze: Ein Elektron kann unter bestimmten Konditionen eine Barriere untertunneln, auch wenn die Spannung eigentlich nicht groß genug ist.“

Der Forscher spielt auf den Boltzmann-Faktor an: Ein Stromfluss benötigt mindestens eine Spannung von einigen Hundert Millivolt, um ein Hindernis zu überspringen. Heutige Transistoren – jene Bauelemente, die ein elektrisches Signal verstärken und Computer funktionieren lassen – basieren alle auf diesem von Ludwig Boltzmann formulierten Prinzip. Andererseits benötigen die Schaltkreise physische Barrieren, die einen Stromfluss verhindern. Sind sie zu dünn, werden Signale ungewollt durch den Stromkreis geschickt: genau jener Tunneleffekt, den Yablonovitch jetzt nutzen will.

Sorgen um die Produktion

Statt die Stromstärke zu regulieren, die kontrolliert, wann ein Signal verstärkt wird, bleibt die Spannung im Quantentunnel-Transistor (TFET) konstant. Indem sich der Apparat an- und ausschaltet, wird lediglich die Wahrscheinlichkeit verändert, mit der ein Elektron ein Hindernis untertunnelt. Der TFET käme so mit weit weniger Energie aus als ein klassischer Transistor. „Wenn uns der Durchbruch gelingt, dann würde jeder Rechner theoretisch zehntausendmal weniger Strom benötigen“, schwärmt Yablonovitch. Batterielaufzeiten auf Endgeräten würden sich deutlich erhöhen, die Rechenzentren der Internetgiganten wären keine Klimasünder mehr.

Aber, sagt der Kalifornier: „Es liegen noch einige Herausforderungen vor uns. Die Liste ist sehr lang und wird länger, je mehr wir das Problem verstehen. Selbst wenn meine Überzeugungsarbeit Erfolg hat und die Forschung intensiviert wird – bei der Wahl der Materialien und der Kompatibilität mit heutigen Geräten sind noch viele Fragen offen.“

So harmoniert der TFET nicht mit den heute verwendeten Halbleitern Germanium und Silizium. Alternative Materialien seien zwar in Aussicht – der Professor forscht ebenfalls an ihnen – aber produktionsreif sei davon keines. Denn Yablonovitch meint: „Jede Verzehnfachung des Produktionsvolumens bringt neue Probleme mit sich, um die sich die Ingenieure dann kümmern müssen.“

Der aus Österreich stammende US-amerikanische Wissenschaftler, der 2019 die Benjamin-Franklin-Medaille verliehen bekam, hat schon viele Innovationen erfolgreich ausgegründet und revolutionierte die Glasfaserkommunikation und Solarzelltechnik. Wie weit der Durchbruch des Quantentunnels entfernt ist, kann er aber nicht vorhersagen. Warum er ausgerechnet nach Österreich an die Akademie der Wissenschaften in Wien kommt, um über das Thema zu sprechen? „Ich möchte die Prinzipien des Wieners Boltzmann überwinden und jene des Wieners Schrödinger aufrechterhalten. Wo sonst sollte ich darüber sprechen?“

LEXIKON

Transistor ist ein Kofferwort aus den englischen Begriffen „transfer“ und „resistor“. Er sorgt in Schaltkreisen dafür, dass ein elektrisches Signal weitergeleitet oder verstärkt wird. In der Mikroelektronik sind Transistoren essenziell. Zu integrierten Schaltkreisen zusammengelötet, kommen sie millionenfach in unserer Elektronik vor. Bisher brauchen sie zwei Zutaten: Halbleiterelemente wie Silizium sowie eine Grundspannung von etwa 900 Millivolt. Beides könnte bald Geschichte sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2019)

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