Wer ein Instrument spielt, ist besser in der Schule

Die Presse
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Klimpern und fiedeln hält Jugendliche von Wichtigerem ab? Von wegen: Wer musiziert, hat dadurch deutlich bessere Noten in allen Hauptfächern.

Der Hausverstand sagt: Es mag ja nett sein, wenn Jugendliche Klavier, Geige oder Gitarre spielen können. Aber um ein Instrument soweit zu beherrschen, dass dem Umfeld nicht die Ohren schmerzen, braucht man viel Zeit – und die fehlt dann für die Schule. Also sollten sich die Sprösslinge lieber auf gute Noten konzentrieren als auf hohe und tiefe. Das bringt sie im Leben viel weiter.

Der Hausverstand hat unrecht, zeigen nun Erziehungswissenschaftler der University of British Columbia (im Journal of Educational Psychology, 24.6). Das Team um Peter Gouzouasis hat für die bisher größte Studie zum Thema die Daten von 112.000 Mittelschülern des kanadischen Bundesstaates ausgewertet. Das Ergebnis: Wer ein Instrument erlernt, hat dadurch deutlich bessere Noten in Mathematik, Englisch und naturwissenschaftlichen Fächern.

Die Betonung liegt auf „dadurch“. Denn die simple Korrelation leuchtet auch dem Hausverstand ein: Der musische Geist ist eher im Villenviertel zu Hause als im Arbeiterbezirk, ebenso wie die Affinität zu Bildung und das nötige Einkommen für Nachhilfestunden. Doch das Ergebnis hält auch dann, wenn man den sozialen Status berücksichtigt. Was auch für andere mögliche Einflussfaktoren gilt, wie ethnische Herkunft, Geschlecht und früherer Schulerfolg. Das legt den Schluss nahe: Es ist die musikalische Ausbildung selbst, die den Schulerfolg fördert. Aber warum?

Je mehr, desto besser

Wer ein Instrument erlernt, trainiert damit viele Fähigkeiten: Man muss Augen, Hände und Hirn koordinieren, sich viel merken, genau hinhören und sich konzentrieren können. Man übt viele Stunden einsam vor sich hin, was Disziplin und Selbstkontrolle nicht nur erfordert, sondern auch für andere Lebensbereiche schult. Wenn sich der Erfolg einstellt, stärkt er das Selbstvertrauen. Und wer in einer Band spielt oder im Chor singt, lernt auch, wie man sich hilfreich in ein Team einfügt, um gemeinsam etwas zu erreichen.

Ganz ist der Hausverstand noch nicht überzeugt: Mag sein, aber allzu viel ist sicher ungesund. Auch hier widersprechen die Forscher: Je mehr Musikstunden, desto größer der Schulerfolg. Besonders gute Noten haben jene, die sich von ihrem Instrument kaum trennen können. Welches, ist dabei fast egal. Weniger stark sind die segensreichen Nebenwirkungen allerdings bei den Sängern, ob als Solisten oder im Chor.

Das Studienergebnis ist für Nordamerika auch politisch relevant. Die praktische Musikerziehung ist dort größtenteils Sache der öffentlichen Mittelschulen, und wenn das Geld knapp ist, wird bei diesem „Luxus“ als erstes gespart. Hierzulande könnte die Erkenntnis ehrgeizige Eltern auf die Idee bringen: Unser Nachwuchs muss in Tasten hauen oder Saiten greifen. Dabei möge der Hausverstand das letzte Wort behalten: Bitte nur, wenn die Kinder es wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2019)

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