Pubertierende wüten so ähnlich wie Affen

Der Übermut erfüllt wichtige Zwecke.
Der Übermut erfüllt wichtige Zwecke.(c) Imago
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Nicht nur Menschen mangelt es in der Jugend an Selbstkontrolle. Aber der Übermut erfüllt wichtige Zwecke.

Ach, diese Jugend von heute! Solche Stoßseufzer sind wohl schon so alt wie die Menschheit. Wer in die Pubertät gerät, handelt oft impulsiv, unbedacht, riskiert womöglich gar Leib und Leben auf der ständigen Suche nach einem starken Erlebnis – auf dem Moped, mit Drogen, bei Mutproben oder im Sport. In dieser Phase lernt man selten aus Fehlern und plant seine Handlungen kaum voraus. Aber dieses Verhalten ist nicht auf Menschen beschränkt. Junge Affen – genauer Makaken – wüten ganz ähnlich, wie eine Überblicksstudie der US-Forscher Beatriz Luna und Christos Constantinidis zeigt (in: Trends in Neuroscience, 20. 8.).

Doch wie lässt es sich erklären? Die hemmenden und kontrollierenden Instanzen im Gehirn, die sich im Prinzip schon bei Kleinkindern ausbilden, sind zuweilen nicht aktiviert, wie ausgeschaltet. Das lässt sich gut mit einem Test nachweisen, der Augenbewegungen misst. Man bittet Probanden, einen Punkt zu fixieren, und, wenn links oder rechts davon ein Reiz auftaucht, statt spontan dorthin bewusst in die entgegengesetzte Richtung zu schauen – dem Reflex trotzend. Diese einfache Form von Selbstkontrolle schaffen Pubertierende oft nicht, übrigens ebenso wenig wie viele Erwachsene, die an Schizophrenie, Parkinson oder Alzheimer leiden. Oder eben wie junge Makaken, die man durch Belohnungen zum Blick in die Gegenrichtung dressieren will.

Vielfalt an Erfahrungen nötig

Das ist aber kein Betriebsunfall der Natur. Der temporäre Mangel erfüllt einen langfristigen Zweck, sonst wäre er in Jahrmillionen der Evolution längst verschwunden. Damit sich das Gehirn vollständig ausbilden kann, damit wir uns als Lebewesen sinnvoll spezialisieren und an unsere Umgebung bestmöglich anpassen, brauchen wir eine Vielzahl an Erfahrungen – auch und vor allem schlechte. Sie lösen dann neurobiologische Prozesse aus, die das Hirn des Erwachsenen formen. Nur wer einmal auf eine heiße Herdplatte gegriffen hat, weiß, wie sehr eine Brandwunde an der Handfläche schmerzt – und wird diese Unvorsichtigkeit als Erwachsener umso eher vermeiden. Dies zum Trost für alle Eltern mit pubertierenden Kindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2019)

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