Die Affäre Hirschl Mayr

Der „Hofjude“ Hirschl Mayr hat die Vertreibung der Juden (unfreiwillig) beschleunigt.

Der Wiener „Hofjude“ Hirschl Mayr hat die jüdischen Gemeinden in Wien und Niederösterreich lange beschäftigt. Den Kaiserhof auch. Und andere Behörden. Vor allem aber eine extra eingesetzte Untersuchungskommission. Am Ende war Hirschl Mayr mit ein Grund, warum die Juden 1670 aus Wien und Niederösterreich vertrieben wurden.

Zum ersten Mal taucht Mayr, der exzellente Kontakte zum Kaiserhof pflegte, im Zusammenhang mit dem bekanntesten Mordfall in der Wiener Judenstadt auf: Die Hofjüdin Eleonore wurde 1651 auf offener Straße von einem Unbekannten erschossen. Zuvor hatte Eleonore Unregelmäßigkeiten in den Finanzen der jüdischen Gemeinde entdeckt und diese angezeigt; vermutlich war das der Grund für ihre Ermordung. Mayr hat sofort die Vorstände der jüdischen Gemeinde als Täter denunziert, obwohl keine Beweise vorlagen – die Betroffenen wurden anschließend wieder freigelassen. Nun war Mayr innerhalb der Gemeinde alles andere als beliebt.

Und als er zwei Jahre später zum Steuereintreiber der jüdischen Gemeinden in Niederösterreich ernannt wurde, dürfte er Angst und Schrecken verbreitet haben. In zeitgenössischen Protokollen heißt es sinngemäß: Wenn alle Menschen Gott den Allmächtigen so fürchten würden wie die Juden Hirschl Mayr, würde jedermann die ewige Seligkeit erlangen. Nach dem Tod von Kaiser Ferdinand III. 1657 wurden zwei Untersuchungskommissionen gegen ihn eingesetzt: Er soll den Kaiser betrogen haben. Die Ermittlungen wurden zunächst eingestellt – wohl aufgrund der guten Beziehungen Mayrs.

Eine zweite Kommission aber kam zu dem Schluss, dass es sich bei Mayr um eine Person von „eingewurzelter Bosheit“ handle, der „sovil Juden umb das Ihrige gebracht [...] und alle insgesambt tyrannisch beherrschet hat“. Die Affäre Mayr beschleunigte die vorhandenen Bestrebungen des Kaiserhofes und der Stadt Wien, die Juden zu vertreiben. Sich selbst konnte Mayr nur kurzfristig vor einer Ausweisung retten, letztlich musste auch er gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2012)

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