Sophie Lecheler: Aufruhr im Cyberspace

Digitalisierte Welt: Zwischen Medien, Menschen und Politik besteht eine komplizierte Hassliebe, sagt Sophie Lecheler. Diese nimmt sie unter die Lupe.
Digitalisierte Welt: Zwischen Medien, Menschen und Politik besteht eine komplizierte Hassliebe, sagt Sophie Lecheler. Diese nimmt sie unter die Lupe.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Fake News, Facebook-Kampagnen und emotionsgeladene Diskurse – Sophie Lecheler untersucht das komplizierte Verhältnis zwischen Menschen, Politik und Medien.

"Ich konnte schon als Kind nie die Klappe halten“, schmunzelt Sophie Lecheler. Zudem habe sie sich bereits damals mehr für das Verhalten der Menschen in der echten Gesellschaft interessiert als für Prinzessinnen oder Einhörner. „Ich habe ständig allen erzählt, wie ich die Welt so sehe.“ Aus dem ebenso kontaktfreudigen wie neugierigen Mädchen ist eine erfolgreiche Kommunikationswissenschaftlerin geworden. Seit Herbst 2016 ist Lecheler Professorin für Politische Kommunikation am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien. „In meiner Familie hat wohl keiner erwartet, dass ich in der Forschung landen würde“, resümiert die 38-Jährige. „Schließlich beinhaltet dieser Job ja recht einsame Tätigkeiten wie das Aufarbeiten von Studien oder das Verfassen langer Artikel.“ Doch die Lehre und der Austausch mit Kollegen kämen ihrem Wesen entgegen. „Vor allem aber ist meine Begeisterung für die Wissenschaft unerschöpflich.“

Veränderte Mediengesellschaft

Die gebürtige Baden-Württembergerin hat in München Kommunikationswissenschaft, Psychologie und interkulturelle Kommunikation studiert. Dabei fand sie die politische Kommunikation bald viel packender als Werbung oder PR. Und weil sie von Grund auf verstehen wollte, „wie Massenkommunikation, Nachrichtenmedien und das ganze Drumherum unser Zusammenleben prägen“, hängte sie nach dem Abschluss ein Masterstudium in internationalen Beziehungen an der englischen Elite-Uni Cambridge an. „Politik ist heute nicht mehr möglich ohne mediale Auftritte, und die Bürger sind von den Medien abhängig, um informiert zu sein.“ Journalisten wiederum müssten ihr Geschäft durch die Digitalisierung und Globalisierung völlig neu definieren. „Da fragt man sich doch: Wer behält die Oberhand? Wer hat die Macht, Meinungen zu machen?“ Das sei faszinierend.

Ihr Doktorat machte Lecheler an der Amsterdam School of Communication Research der Universität von Amsterdam, wo sie nach Etappen in Berkeley, Wisconsin und London auch mehrere Jahre forschte und lehrte. „In Cambridge habe ich gelernt, mich ins Zeug zu legen und mich nicht von Rückschlägen verunsichern zu lassen“, erzählt sie. „Und in Amsterdam habe ich mich zum ,Academic Citizen‘ entwickelt und bin in das Lehren hineingewachsen.“ Von Wien aus arbeitet sie gerade zusammen mit den Amsterdamer Kollegen an einer Studie zu Virtual Reality in der politischen Kommunikation. „Eine spannende Frage ist zum Beispiel, ob Virtual-Reality-Reportagen, bei denen ein entsprechend ausgerüstetes Publikum am Smartphone oder Computer buchstäblich in die Storys hineingehen kann, das Interesse an Politik fördern können.“

Der Einfluss der Digitalisierung auf das journalistische Arbeiten ist einer von Lechelers Schwerpunkten. So beschäftigt sie etwa die Frage, wie Politikjournalisten in unserer digitalisierten Welt die Wahrheit von Fake News unterscheiden können. Wie vertraut sind diese mit effizienten Überprüfungsmethoden? „Wir wollen herausfinden, wie Nachrichtenredaktionen verlässlich und unter Zeitdruck Fakten checken und so der Öffentlichkeit hochwertige Informationen bieten können.“ Das sei „angesichts der gegenwärtigen Vertrauenskrise im Journalismus“ ein Gebot der Stunde. Besonderes Augenmerk legt Lecheler auf Emotionen. „Wirkt sich das Schüren von Hass und Angst, etwa bei Wahldebatten, tatsächlich stärker auf die Wähler aus? Und wenn ja, wie genau?“, sei hier eine der vielen Fragen. Und wie sieht es mit politischen Zielen sozialer Netzwerke wie Facebook aus?

Auch privat ist die Forscherin eine leidenschaftliche Medienkonsumentin. „Weil ich aber Berichterstattung nur aus der Fachfrauenperspektive sehen kann, will ich auch abschalten können.“ Mit ihrem niederländischen Mann und zwei kleinen Kindern ist sie „immer noch dabei, Wien zu erkunden“. Dass sie Mutterschaft und Professorinnenjob vereinen könne, liege an der großartigen Unterstützung ihrer Unis. „Das will ich selbst auch weitergeben, denn in puncto Frauen und Karriere gibt es noch viel zu tun.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2019)

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