Wort der Woche

Das Essen unserer Ahnen

Wir können nur mutmaßen, wie das Essen unserer Ahnen geschmeckt hat. Doch Archäologen tragen immer mehr Wissen zusammen, etwa über früh gewürztes Brot.

Wie haben unsere Vorfahren gegessen? Oder genauer gefragt: Wie hat ihr Essen geschmeckt? Diese Frage mag auf den ersten Blick sonderbar anmuten. Denn immerhin sind ganze Rezeptbücher aus römischer Zeit (etwa jenes des Apicius) oder aus dem Mittelalter (vor allem aus Klöstern) überliefert. Und wie anders kann z. B. ein Spanferkel vor 500 oder vor 2000 Jahren schon geschmeckt haben?

Vorstellen kann man sich vieles, aber wirklich wissen tun wir es nicht. Lebensmittel sind – und das ist ja auch ihr Sinn – biologisch leicht abbaubar, sie werden binnen kürzester Zeit restlos in ihre Bestandteile zerlegt. Dass vereinzelt 100 und mehr Jahre alte Bier- und Weinflaschen auftauchen, hilft auch nicht weiter, denn niemand kann mit Gewissheit sagen, ob und wie sich die Flascheninhalte über die Jahrhunderte chemisch verändert haben.

Allerdings stimmt es nicht ganz, dass sich (abgesehen von den erwähnten Gebräuen) gar keine alten Lebensmittel erhalten hätten. Vereinzelt haben Archäologen Überreste von Brot gefunden – nicht nur in der trockenen Hitze Ägyptens, sondern auch in unseren Breitengraden: In wassergesättigtem Boden gibt es nur wenig Sauerstoff und daher kaum biologischen Abbau. Das gilt etwa für Moore – Stichwort: Moorleichen – oder auch für Seeufer. So wie jenes des Zürichsees, wo man vor einigen Jahren bei Notgrabungen an einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung auf zwei Brotstücke stieß. Diese sind zwar komplett verkohlt (andernfalls hätten sie die Jahrtausende nicht überdauert), doch sie sind gut genug erhalten, dass sie von Andreas G. Heiss (Österreichisches Archäologisches Institut/ÖAI) im Rahmen des ERC-Projektes „Plantcult“ genau unter die Lupe genommen werden konnten.

In Untersuchungen per Mikroskop konnte Heiss zweifelsfrei nachweisen, dass das eine Brot aus grob gemahlener Gerste, das andere Brot aus einer feineren, weizenhaltigen Getreidemischung besteht. Aus der Größe der Poren (kleiner als ein Millimeter) schließt er, dass beide Brote ohne Sauerteig produziert wurden. Der Clou an den Untersuchungen war indes, dass im Weizenbrot Selleriesaat nachgewiesen werden konnte (Plos One, 3. 8.). Es handelt sich dabei um nichts weniger als den bisher ältesten Nachweis einer Würzung von Brot.

Nun: Verkosten kann man dieses Brot nicht. Aber immerhin bekommt man einen Eindruck vom Aroma eines knapp 5200 Jahre alten Fladenbrotes.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2017)

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