Warum ist reifes Obst so bunt?

Beim Reifen laufen im Obst ziemlich komplexe Vorgänge ab.
Beim Reifen laufen im Obst ziemlich komplexe Vorgänge ab.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach: Es hängt mit der Sonne zusammen – und mit den Tieren, die die Früchte fressen und die Samen verteilen sollen.

2018 ist ein sehr gutes Apfeljahr: Nach zwei Jahren, in denen Spätfröste die Ernten ziemlich dezimiert haben, lachen nun seit Wochen landauf landab saftige gelb und rot leuchtende Früchte von den Bäumen. Es ist einfach eine Pracht! Beim Reifen laufen im Obst ziemlich komplexe Vorgänge ab: Stärke wird in Zucker umgewandelt, Säuren werden abgebaut – das Obst wird dadurch süß; die Zellwände werden teilweise aufgelöst – die Früchte werden weich; und es werden unzählige Aroma- und Geschmacksstoffe gebildet – das Obst wird schmackhaft.

Die auffälligste Veränderung ist freilich der Farbwechsel: Während des Wachstums herrschten Grüntöne vor – der Blattfarbstoff Chlorophyll fing in dieser Zeit Sonnenenergie ein. Beim Reifen übernehmen andere Farben das Kommando, die von Anthocyanen und Carotinoiden herrühren.

Warum aber wird reifes Obst bunt? Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach. Biochemisch gesehen ist es die Folge davon, dass die Pflanze Chlorophyll abbaut, um die Bestandteile wiederzuverwerten – wodurch zuvor überdeckte Farbstoffe sichtbar werden. Zusätzlich werden aber auch weitere Pigmente gebildet. Da dies für die Pflanze sehr energieaufwendig ist, muss es einen tieferen Grund geben. Aber welchen? Das hat eine Forschergruppe um Kim Valenta (Duke University) und Omer Nevo (Uni Ulm) kürzlich anhand von 97 exotischen Früchten untersucht (Scientific Reports, 24. 9.).

Sie kamen zu dem Schluss, dass dabei zwei Faktoren im Vordergrund stehen: Erstens hängt die Farbe eng mit jenen Tieren zusammen, die die Früchte fressen und die Samen verbreiten sollen: Vögel werden beim Vorbeifliegen durch Farben angelockt, die sich stark vom Blattwerk unterscheiden – diese Früchte sind daher rot oder sehr dunkel (weil diese Pigmente das für manche Vogelarten sichtbare UV-Licht stark reflektieren). Sind hingegen Säugetiere die Verbreiter, die es anzulocken gilt, ist der Kontrast zu den Blättern nicht so wichtig: Dieses Obst ist eher grünlich, jedenfalls nicht schreiend bunt. Hier sind Geschmack und Geruch viel entscheidender als die Farbe.

Der zweite Einflussfaktor auf die Fruchtfarbe ist die Sonnenstrahlung: Je stärker diese an einem Standort ist, umso besser müssen sich die Pflanzen mithilfe von Farbstoffen schützen. Denn zu viel Strahlung führt zu oxidativen Schäden, und die meisten Farbstoffe haben antioxidative Wirkung – was am Ende auch dafür mitverantwortlich ist, dass Obst für uns Menschen so gesund ist. ?


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.