Komposition in Paragrafen

Bildungsbürgerlich: Karl Korinek und „seine“ Musik.

Karl Korinek ist nicht nur als Verfassungsgerichtshofspräsident der erste Hüter unserer Konstitution und quasi der oberste Richter der Republik, sondern auch eine Säule des kulturtragenden Bildungsbürgertums, weshalb es ihm unumschränkt zusteht, auf einer feinen Compactdisc in einem Gespräch mit Ursula Magnes seine Gedanken über Recht und Kultur auf Polycarbonat zu speichern. Vor dem Abhören hält man das österreichische Bildungsbürgertum für fast ausgestorben, danach weiß man wieder, dass es zwar eine seltene, aber bestehende Spezies ist.

Auf der eineinviertelstündigen CD, auf welcher der Musikanteil überwiegt, wird aus der Sicht eines Grandseigneurs nachvollziehbar, was Kultur, Leben, Kulturleben und Lebenskultur sein kann. Überzeugend ist dabei die klare und verständliche Sprache, welche die Wiener Färbung nicht verheimlicht. Karl Korinek, der mit seinem anekdotischen „Onkel Julius“ (Manz Verlag, Wien 2005) vor nicht allzu langer Zeit einen Bestseller geliefert hat, schätzt Kultur nicht nur, sondern lebt sie auch, sowohl in seiner Profession als auch als Passion.

Korinek beantwortet Magnes' Fragen und bejaht, wenn die Gesprächspartnerin wissen will, ob das Formulieren von Gesetzen eine Art Komponieren ist. Der Jurist erinnert sich zunächst daran, dass in der Legistik früher von Nomopoetik gesprochen wurde. Es gehe um das Ordnen, Gestalten und Harmonieren. In der Sprache komme es nicht nur auf die Schönheit, sondern auch auf Klarheit an. Von dieser Idealvorstellung ist der aktuelle Gesetzgeber weit entfernt. Denn die zeitgenössische Musik kennt bei nicht solche überbordenden Querverweise – oder sollte man von „Querfugen“ sprechen?

Ein Mangel an Rechtskultur?

Unzweideutig fordert der erste Richter des Landes Respekt vor dem geltenden Recht. Dies sei nichts anderes als Rechtskultur. Ein Mangel an Rechtskultur aber sei es, gerichtliche Entscheidungen nicht zu akzeptieren und zu vollziehen. Je höher das Maß an Rechtskultur sei, um so stärker falle es auf, wenn Entscheidungen nicht umgesetzt werden. Es bedarf keines besonderen Hintergrundwissens, um zu verstehen, dass Korineks verbal ausgestreckter Zeigefinger in das südlichste Bundesland zeigt.

Ausführlich beschäftigt sich Korinek mit der Kunstfreiheit und sagt: „Es stellt den Kern der Kunstfreiheit dar, dass der Staat künstlerische Betätigungen weder unterdrücken noch verordnen darf.“ Das Gemeinwesen habe Kunst zu fördern, denn die „Förderung von Kunst und Kultur ist letztlich eine Investition in die geistige Infrastruktur einer Gesellschaft.“ Dennoch könne die Freiheit der Kunst nicht unbegrenzt sein. Die Grenze ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte Dritter.

Die Musik zwischen den kleinen Vorlesungen ist breit gewählt. Korinek schätzt offensichtlich Haydn sehr, sein Interesse gilt aber auch Anton Webern. Mit Schubert, natürlich Mozart, Beethoven und Johann Strauß Vater bindet er ein variationsreiches Notenbouquet.

Der Zuhörer geht mit, verbindet Karl Korinek doch seine Leidenschaft für das Recht mit einem bemerkenswerten kulturellen und musikalischen Wissen. Die CD ist ein begeisterndes Plädoyer für Recht, Musik und Kultur beziehungsweise einen brauchbaren Kulturbegriff. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2008)

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