Ein Kind nach 15 Jahren Ehe

Richard Fords Liebeserklärung an seine Eltern – von unaufdringlicher Intensität.

Richard Ford, Autor von acht opulenten Romanen, legt nun einen gut 140 Seiten schmalen Erinnerungsband vor, in dem er seine Eltern – was auch bedeutet: sich selbst „zwischen ihnen“ – auf liebevoll unaufgeregte Weise porträtiert. Er tut dies mit zwei im Abstand von 30 Jahren verfassten Texten: Der kürzlich geschriebene über seinen schon 1960 nach einem Herzanfall verstorbenen Vater eröffnet das Buch, das mit dem bereits knapp nach ihrem Krebstod 1981 verfertigten Blick auf seine Mutter schließt. Ford lässt Wiederholungen stehen – und sie stören nicht einmal sonderlich, erweist sich das Buch doch mit seiner ausgeglichen wirkenden Prosa fast wie eine Art Meditation über ein verliebtes Ehepaar, das zu späten Eltern eines Einzelkindes wird.

Das Paar kommt mit seinem Leben gut zurecht, auch damit, dass die Eltern des Ehemanns dessen Frau aus allerlei (auch religiösen) Gründen zeitlebens ablehnen. Nicht zuletzt in den Passagen über die beiden Großelternpaare zeigt sich Ford einmal mehr als klar analysierender, realistischer Schriftsteller.

Ford erzählt die Geschichte seines von ihm intellektuell als eher anspruchslos eingeschätzten Vaters, der als Vertreter Großhändlern Wäschestärke anbot und auf diese Touren mit dem Auto seine lebhafte, vielseitig interessierte junge Frau mitnahm. Beiden gefiel dieses unstete Leben in Hotels, Restaurants und Cocktailbars offenbar. Immerhin war ein gut bezahlter Job in den Jahren der Depression nicht die Regel. Erst das Kind zwang die Mutter zur Sesshaftigkeit und in ein wenig geliebtes Hausfrauendasein; der Vater war nur an den Wochenenden daheim.

Bemerkenswert: Der selber in langer Ehe kinderlos gebliebene Richard Ford ergründet sehr sensibel, was es für seine Eltern hieß, dass nach 15 Jahren Ehe plötzlich ein Kind da war: „Sie wollten mich; aber sie brauchten mich nicht. Zusammen – vielleicht nur zusammen – blühten sie erst richtig auf.“

Verborgenes Leben der Eltern

Ford erzählt, wovon er weiß, und denkt darüber nach, wie viel es doch ist, was Kinder über ihre Eltern nicht wissen. Diesbezügliche Auskünfte lehnte seine Mutter noch auf dem Totenbett ab. Dabei ist dieser ruhige Erzähl- und Gedankenfluss ohnehin in Diskretion eingebettet. Und vieles aus der Erinnerung des Autors verschwunden: „Früher hatte ich mehr davon im Gedächtnis als heute. Ich habe Erinnerungen notiert, Auffälliges in Romanen versteckt, einzelne Geschichten immer wieder erzählt, damit sie für mich zugänglich blieben.“ Als Ford-Leser ist einem übrigens manches vertraut.

Richard ist 16, als er den geliebten Vater verliert – und sich trotzdem bewusst ist, dadurch auch Selbstständigkeit und Freiheit gewonnen zu haben. Seine Mutter lebt noch 21 Jahre als Witwe – der Mann fehlt ihr so sehr, dass ihr restloses Glücklichsein verwehrt bleibt, weil sie offenkundig ihr Dasein nur noch als unvollständig empfinden kann. Man folgt diesen in unaufdringlicher Intensität erzählten Bruchstücken von Lebensgeschichten mit großer Anteilnahme. Und ist verblüfft darüber, dem beiläufig daherkommenden Resümee in all seiner sensationsfreien Banalität zustimmen zu können, dass man eben nur ein Leben hat, mit dem man zurechtkommen muss.

Ford hat ein kleines Buch vorgelegt, das mehr ist, als es zu sein scheint. ■

Richard Ford

Zwischen ihnen

Wenig ist uns so vertraut und zugleich so geheimnisvoll fremd wie das Leben der eigenen Eltern. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. 144 S., geb., € 18,50 (Hanser Berlin Verlag, Berlin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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