Unruhe in den warmen Stuben

In „Schotter“ erzählt Florjan Lipuš vom scheiternden Versuch, zwischen den Ermordeten und den Nachgeborenen eine Verbindung herzustellen, die auf Begreifen und Ergriffensein gründet. Eine Art düstere Nachschrift zu seinem Lebenswerk.

In seinen „Randbemerkungen zur Kärntner Literatur“, einem leidenschaftlichen wie verzweifelten Manifest aus dem Jahr 1981, hat Florjan Lipuš geschrieben: „Ohne Selbstbewusstsein muss ein Volk zugrunde gehen. Das Selbstbewusstsein gibt uns unsere Sprache, die wir sprechen und lesen, in welcher wir denken und fühlen, deren Ziel unser Selbstbewusstsein ist.“ Der damals 43-jährige Autor war eben dabei, die slowenische Literatur sprachschöpferisch zu erneuern; aus der leidvollen Geschichte seiner Familie und dank seines Berufs als Dorfschullehrer wusste er nur zu gut, dass die Existenz der slowenischen Sprache in Kärnten bedroht und damit auch die der slowenischen Volksgruppe in Österreich höchst ungesichert war. Dem Anschlag auf die nationale Existenz der Slowenen im Faschismus folgte in der Zweiten Republik der Verrat an ihren staatsvertraglich verbrieften Rechten, die ihnen bis vor wenigen Jahren schändlich verweigert wurden.

Wie verhängnisvoll diese Missachtung bis in unsere Tage fortwirkt, zeigt eine Groteske aus dem Jahr 2017. Damals sollte Lipuš, dessen Weltliteratur aus dem slowenischen Dorf gewachsen ist, mit dem Großen Staatspreis ausgezeichnet werden, was zwei berühmte Mitglieder des Kunstsenats mit der Begründung verhinderten, der Autor schreibe seine Werke nicht auf Deutsch. Dieser krasse Ausfall von Vernunft und österreichischem Geschichtsbewusstsein wurde im Jahr darauf korrigiert, sodass Lipuš doch noch diese höchste Auszeichnung unserer Republik erhalten konnte, deren offizieller Name bekanntlich nicht „Deutsch-Österreich“ lautet. Tatsächlich ist vielen Kärntnern und Österreichern erst in den vergangenen Jahren bewusst geworden, dass die Slowenen eine österreichische Volksgruppe bilden, die zu fördern es allerhöchste Zeit, um nicht zu sagen: die allerletzte Gelegenheit, ist.

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