Einmal im Sumpf suhlen!

Was können einfache Bürgerinnen und Bürger gegen Korruptionsskandale tun? Vor allem sich darüber ärgern! Bald aber dürfen sie auf ein maßgeschneidertes Brettspiel zurückgreifen und sich selbst mit schmutzigem (Spiel-)Geld vergnügen.

Die Lucona-Affäre, der AKH-Skandal, die Bawag-Affäre und die Finanzaffären um die Hypo Alpe Adria: Das sind nur einige der großen Betrugs- und Korruptionsfälle, mit denen im Lauf der Jahrzehnte millionen- und teilweise milliardenschwere Schäden entstanden sind, die in so gut wie allen Fällen auf Kosten der Steuerzahler durchgeführt und abwickelt worden sind.

Niederträchtiges Bereichern, unseriöses Finanzgebaren und im wahrsten Sinn des Wortes schmierige Geschäfte ziehen sich durch die Geschichte der Zweiten Republik. Zwar könnte man auch in Nachbarländer schauen – Stichwort Fifa-Skandal – oder in Entwicklungsländer, wo Korruption ein noch größeres Problem ist, das die Substanz von Wohlstand, des friedlichen Zusammenlebensund der wirtschaftlichen Stabilität bedroht. Doch bekanntermaßen sollte man immer erst vor der eigenen Haustür kehren, und da wird man in Österreich noch eine Weile lang nicht fertig.

Um das breite Spektrum an Skandalen der jüngeren Geschichte nicht zu vergessen und sich die Fälle immer wieder in Erinnerung zu rufen, kann man Bücher lesen oder sich Dokumentationen ansehen. Bald gibt es aber auch eine tatsächlich spielerische Möglichkeit, sich die österreichische Korruptionsgeschichte anzueignen. Denn die zwei Brüder Klaus Hofegger und Christian Felsenreich – der eine Designer, der andere Autor und Psychotherapeut – haben ihr eigenes Brettspiel entwickelt, das den pikanten Namen „KHG“ trägt. Was das bedeutet? „Korrupte haben Geld“, selbstverständlich, und der Name ist Programm.

Jeder der bis zu vier Spieler läuft dabei mit seiner Spielfigur auf einem an „Das kaufmännische Talent“ („DKT“) erinnernden quadratischen Brett im Kreis. Dort, wo einen der Würfel stehen lässt, kann man aber keine Straßen, Plätze oder Kraftwerke kaufen oder Häuser und Hotels bauen. Sondern man bekommt ein unmoralisches Angebot serviert, für das man sich – entsprechend der Risikolage – entscheiden kann oder eben nicht. Dabei wird immer paktiert: Der Spieler, der das Angebot bekommt, kann stets mehr scheffeln als der Komplize, der sofort ausbezahlt wird. Doch der Hauptkorrupte muss dafür erst einmal das Startfeld überqueren, und bis dahin kann viel passieren: ehemalige Kollegen, die einem in den Rücken fallenetwa, oder – auch ziemlich unangenehm – ein Untersuchungsausschuss.

Wem man zu welchem Zeitpunkt trauen kann, das gilt es in der jeweils aktuellen Chemie der Spielenden untereinander zu ergründen. Üblicherweise hat es zumeist derjenige schwer, der die Runden zuvor schon ordentlich abkassiert hat. Wie beim Vorbild „DKT“ gibt es auch hier die Bank, doch – und das ist den zwei Spielentwicklern besonders wichtig – ist sie im Fall von „KHG“ der Staat. Das Spiel ist nicht zu Ende, wenn alle bis auf einen pleite sind, sondern, wenn die Staatskassa leer ist. Die Botschaft ist eindeutig: Ein paar wenige kassieren, und die Unwissenden, ethisch korrekt Handelnden und vor allem die arbeitenden Steuerzahler zahlen drauf.

Jeder von uns ist darüber empört, doch nach einiger Zeit ertappt man sich selbst beim Spielen dabei, an den dubiosen Handlungen Gefallen zu finden und genüsslich seine Spielbanknoten zu zählen. Wie viele Millionen hätten S' denn gern? Komplizenschaft ist eine der stärksten psychologischen Effekte, die Spiele liefern können. „KHG“ nutzt sie perfekt aus und macht im selben Moment klar, wie die Dynamik von Korruption und Betrug funktioniert und dass keiner von uns vor dem Packeln gefeit ist – da mögen der Anlass und die Sache noch so harmlos sein. Darüber hinaus redet man sich ja oft ein, dass es gar nicht so schlimm sei, wenn man einmal selbst involviert ist. Wie sehr und vor allem wie schnell einen die Selbstwahrnehmung täuschen kann und die niederen Instinkte mit einem durchgehen können, wird immer wieder ans Tageslicht der Öffentlichkeit geführt und anschließend in unzähligen Akten und Gerichtsverhandlungen ausjudiziert.

Doch wie unterhaltsam ist „KHG“ als Spiel, einmal abgesehen vom Thema? Das „Spectrum“ konnte sich in einem Vorabtest mit den Designern bereits einen Ersteindruckverschaffen. Das Taktieren und Paktieren verleiht dem bewährten „DKT“-Prinzip eine zusätzliche und bereichernde Komponente. Darüber hinaus sind alle Fälle im Spiel an tatsächliche Vorkommnisse angelehnt – im Lauf der Zeit lernt man also, die Karten und Felder den wirklich stattgefundenen Geschehnissen zuzuordnen. Da das Spiel natürlich auch ohne den narrativen Überbau Spaß machen soll, optimieren Hofegger und Felsenreich noch da und dort ihr Baby – ziehen sozusagen noch ein paar Schrauben fest, um zu jeder Zeit für einen flüssigen Spielfluss zu sorgen.

Spielen für eine bessere Welt?

„KHG – Korrupte haben Geld“ wird in Eigenregie, also ohne Verlag oder Produktionsfirma im Hintergrund, entwickelt. Damit dieser unabhängige Weg funktioniert, haben sich die beiden für das Finanzierungsmodell Crowdfunding entschieden. Seit Anfang Mai läuft auf der deutschsprachigen Plattform startnext.de ihre Kampagne, und zwar noch bis Mitte Juni. Mehr als die Hälfte der gewünschten 26.000Euro haben die beiden Wiener mittlerweile lukrieren können; sie sind guter Dinge, das für die Produktion notwendige Kapital bis zum Ablauf der Kampagne komplett beisammenzuhaben. Wer 29Euro oder mehr investiert, kauft das Spiel automatisch und bekommt es bei der geplanten Auslieferung im Herbst zugestellt. Sonst sind – wie bei Crowdfunding üblich – die Geldbeträge, die man geben möchte, nach unten und oben hin offen. Läuft die Finanzierung des Projekts und die Produktion des Spiels nach Plan, möchten die zwei Brüder „KHG“ auch in den regulären Handel bringen.

Sollten sie bis dahin noch kurzfristig neue Fälle in ihr Brettspiel einbauen wollen, müssen sie nicht lang überlegen. Auch spezielle Versionen für andere Länder wären mit der nötigen Recherche (Christian Felsenreich ist Koautor des Buchs „Der korrupte Mensch“, erschienen 2012 beim Goldegg Verlag) prinzipiell kein großes Problem. Vieles wird sich durch ein Brettspiel an Korruptions- und Betrugsskandalen wohl nicht ändern. Aber eine informierte, aufgeklärte und wache Zivilgesellschaft macht es den dafür Verantwortlichen zumindest langfristigschwer – und dafür leistet „Korrupte haben Geld“ zweifellos seinen Beitrag. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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