Alfred J. Noll über Montesquieu: Das Übel heißt Religion

Über die Grenze zwischen Islam und Christentum. Über die Nachteile, die Religion eines Landes aufein anderes zu übertragen. Über den Unort, an dem bürgerliche Gesetze keine Kraft mehr haben. Über den durchaus aktuellen Baron de Montesquieu, Vertreter einer von allen religiösen Begehrlichkeiten befreiten Politik.

Der französische Adelige, Weinbauer und Staatsphilosoph Montesquieu ist mit seinen „Perserbriefen“ (1721) bekannt, mit seinen „Betrachtungen über die Ursachen der Größe der Römer und ihresNiedergangs“ (1734) anerkannt und mit seinem „Geist der Gesetze“ (1749) weltberühmt geworden. In allen Teilen des „Geistes der Gesetze“ ist die Religion ein Thema, wie in den „Perserbriefen“ und in den „Römern“ auch schon. Anfang des 18. Jahrhunderts ist Politik in Frankreich nicht ohne Religion zu haben. Aber Montesquieu bringt als entschiedener Enttheologisierer auf den Weg, was dann durch Voltaire und durch die Enzyklopädisten, durch d'Holbach und Helvetius, durch Diderot und die gesamte Aufklärung sowie die nachfolgende Französische Revolution in Europa eine politische Basis findet: die vom Diktat religiöser Vorgaben befreite politische Gesellschaft.

Montesquieu aber ist kein kruder Religionsverächter, er ist vielmehr ein Religionspolitiker. Er selbst hat einen Glauben, aber er will ihn für sich behalten; selbst für den Atheismus hat er Verständnis; das Dasein Gottes ist ihm keine deutlichere Wahrheit als andere Empfindungen auch – und es gibt eben Menschen, die nicht empfinden. Nur Frömmigkeit ist ihm völlig zuwider: „Die Frömmigkeit findet für eine böse Tat Gründe, auf die ein einfacher, redlicher Mann gar nicht verfallen würde“; und noch stärker: „Die Frömmigkeit nenne ich eine Krankheit des Körpers, die der Seele einen Wahnsinn einflößt, der in seiner Art unheilbar ist.“

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