Historisch: Österreich besiegt Weltmeister Deutschland 2:1

APA/EXPA/JOHANN GRODER
  • Drucken

Österreich besiegt Deutschland erstmals seit 32 Jahren mit 2:1. Franco Foda feiert damit seinen fünften Sieg in Folge.

Spät, nämlich mit über eineinhalbstündiger Verzögerung, wurde in Klagenfurt dann doch noch angepfiffen. Erst Hagel, dann Starkregen über dem ausverkauften Wörthersee-Stadion (29.200 Zuschauer) hatten sich lang als Spielverderber erwiesen, ehe der tschechische Schiedsrichter Pavel Kralovec den Platz für spieltauglich befinden konnte.

Und so kam Österreich nicht nur zu einem beachtlichen 2:1-Prestigeerfolg gegen den amtierenden Weltmeister, es gelang auch der erste Sieg über Deutschland seit einem 4:1 vor 32 Jahren in Wien. Beim WM-Titelverteidiger dürften nach dem alles andere als zufriedenstellenden Test die Alarmglocken läuten. Auch wenn das vom Trainingscamp aus Südtirol eingeflogene Starensemble weder in Bestbesetzung antrat noch auf dem tiefen Rasen allzu viel Einsatz an den Tag legte.

Das ÖFB-Team allerdings gab keineswegs den zahmen Sparringpartner, nur ein unnötiger Eigenfehler verhinderte einen höheren Sieg. Schließlich waren es Martin Hinteregger und Tormann Jörg Siebenhandl, die beim frühen Gegentreffer am eigenen Sechzehner murksten, ehe der Ball bei Mesut Özil landete. Der Arsenal-Star schoss trocken ins lange Eck ein (9.).

Wie von Teamchef Franco Foda gefordert, gingen die Hausherren engagiert ans Werk und hatten über weite Strecken auch mehr Spielanteile. Gefahr ging aber vor allem vom erneut groß aufspielenden Peter Zulj aus. Der 24-jährige Oberösterreicher in Diensten von Sturm Graz hatte Ideen, bewies Übersicht und prüfte auch höchstpersönlich Manuel Neuer (31.). Zuvor hatte der deutsche Schlussmann nach einem von Zulj eingeleiteten Konter in höchster Not vor Florian Grillitsch retten müssen (22.). Auch ÖFB-Goalie Siebenhandl konnte sich noch mit einer Parade auszeichnen (21.).

Der Lohn aber folgte erst in Hälfte zwei. David Alaba – wieder auf der linken Seite aufgeboten – ließ mehr und mehr seine Klasse aufblitzen. Erst bei einem Solo-Vorstoß (52.), gleich darauf bei einer Eckball-Flanke, die Hinteregger sehenswert per Volley-Kracher zum Ausgleich vollendete (53.).

Nur eine Minute später hatte auch der rechtzeitig fit gewordene Marko Arnautovic seinen großen Auftritt, als er nach Alaba-Vorlage knapp an Neuer scheiterte (55.). Österreich erspielte sich nun Chancen im Minutentakt, Zulj etwa verstolperte ein Anspiel von Arnautovic (58.). Der rot-weiß-rote Siegtreffer folgte in Minute 69: Stefan Lainer, der in der Defensive mit Deutschlands Jungstar Leroy Sané (Abseitstor in Minute 56) jede Menge Arbeit vorfand, legte auf Alessandro Schöpf zurück, der Schalke-Legionär ließ Neuer chancenlos zurück (69.). Dass Joachim Löw mit Jerome Boateng und Mats Hummels seine Stamm-Innenverteidigung im Teamcamp in Südtirol zurückgelassen hatte, half zweifellos dabei.

Der deutsche Teammanager Oliver Bierhoff hatte im Vorfeld erklärt, Alaba und Arnautovic hätten „jederzeit“ auch in der DFB-Auswahl ein Leiberl. Er sollte recht behalten. „Heute wollten wir das Ding einfach reißen“, erklärte Alaba. Und Teamchef Foda, der im fünften Spiel seiner Amtszeit den fünften Sieg bejubelte, analysierte: „Erste Halbzeit waren wir zu passiv, in der zweiten Halbzeit war es unfassbar, was die Mannschaft an den Tag gelegt hat.“

Weil sich Vorgänger Marcel Koller im Herbst des Vorjahres mit zwei Siegen verabschiedet hatte, hat das ÖFB-Team nun einen Rekord eingestellt: Sieben Siege in Folge waren bisher erst einmal gelungen, von 1933 bis 1934.

Internationale Beobachter kümmerten sich in Klagenfurt aber ohnehin nur um die Personalie Manuel Neuer, der nach seinem Mittelfußbruch und 599 Tagen Abwesenheit ein ordentliches und vor allem arbeitsreiches Comeback in der deutschen Nationalmannschaft gegeben hat. Womit wohl geklärt wäre, dass der 32-jährige Bayern-Goalie auch bei der WM in Russland (ab 14. Juni) die Nummer eins beim Titelverteidiger sein wird.

Am Montag muss Deutschland seinen WM-Kader noch von 27 auf 23 Spieler reduzieren, ehe am Freitag in Leverkusen die WM-Generalprobe gegen Saudi-Arabien ansteht.

Auf das ÖFB-Team wartet zum Abschluss der kleinen „Heim-WM“ nach Siegen über Russland (1:0) und Deutschland am 10. Juni noch ein Duell mit Rekordweltmeister Brasilien.

(joe)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Fußball

Der feste Glaube an die nächste Überraschung

Fußball II. Österreichs Nationalteam rechnet sich auch im Testhit gegen Rekordweltmeister Brasilien Chancen aus.
Österreich feiert das 2:1 durch Alessandro Schöpf
Fußball

Österreich besiegt Deutschland: "Sollten jetzt nicht durchdrehen"

Für Franco Foda ist es der fünfte Sieg in Folge, für Österreich der erste Sieg über Deutschland seit 32 Jahren - trotzdem gibt sich die Fußball-National-Elf demütig. Und nimmt bereits Kurs auf den 10. Juni - und das Spiel gegen Brasilien.
FBL-FRIENDLY-AUT-GER
Fußball

"Cordoba? Ab jetzt heißt es Klagenfurt!"

Österreich besiegt Weltmeister Deutschland mit 2:1, das weckt Emotionen und Träume. Reaktionen der Spieler, Trainer. Marko Arnautovic trifft wie immer den Punkt: "Wir haben Cordoba zur Ruhe gebracht!"
Anstoss

Österreich und seine Fußballgeister

Es war zwar nur ein Testspielsieg, doch der erste Erfolg gegen Deutschland seit 1986 - das sind 32 Jahre - sollte zu denken geben. Nicht die Verklärung der Vergangenheit ebnet den Weg in die Zukunft, sondern die Arbeit in der Gegenwart. Und Franco Foda trifft offenbar den richtigen Nerv der ÖFB-Spieler.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.