Marc Janko und der Kampf gegen das Establishment

Marc Janko Kampf gegen
Marc Janko Kampf gegen(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Pro Shots)
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Im Schlagerspiel gegen PSV Eindhoven will Twente-Stürmer Marc Janko heute sein 100. Tor in einem Pflichtspiel schießen. Natürlich hat der 21-fache niederländische Meister etwas dagegen.

[Enschede]Es gibt Fußballer, die haargenau wissen, wie viele Tore sie geschossen haben. Marc Janko gehört hingegen zu jenen, die ihre Tore nicht mehr zählen. Vor zwei Jahren hat er damit aufgehört. Da wurde er österreichischer Schützenkönig und gewann den „Bronzenen Schuh“. Mit 39 Toren. Ein Kunststück, das vor ihm nur zwei Spieler zustande gebracht haben. Toni Polster und Hans Krankl. Und dass er Krankls Rekord von 41 Treffern nicht eingestellt hatte, musste sich Janko lange anhören. Zufriedenheit ist ein Wort, das es im Sport nicht gibt. Schon gar nicht auf der (Presse-)Tribüne.

Mittlerweile spielt der 27-Jährige in seinem siebenten Profijahr beim holländischen Meister Twente Enschede. Und schon wieder wird gerechnet. Sein findiger Medienbetreuer hat nämlich nachgezählt: Janko hält bei 99 Treffern. Und ausgerechnet im Schlagerspiel heute Abend gegen PSV Eindhoven könnte also das hundertste Tor fallen.

Natürlich hat der 21-fache niederländische Meister etwas dagegen. Zehn Argumente gibt es für einen PSV-Sieg. Denn mit 10:0 fertigte das Team vergangenes Wochenende Feyenoord Rotterdam ab. „Dadurch hat PSV grenzenloses Selbstvertrauen. Aber auch wir haben einen Lauf und sind in der Meisterschaft noch immer ungeschlagen. Ich denke, dass wir spielerisch sogar einen Tick stärker als Eindhoven sind“, sagt Janko.

Experten sind sich einig. Der Meistertitel in Holland wird heuer zwischen Twente und PSV ausgemacht. Zu dominant sind die beiden Klubs nach elf Runden gewesen. Beide haben bis dato noch kein Spiel verloren. PSV hält bei acht Siegen und drei Remis, Twente bei sieben Siegen und vier Unentschieden. Mit einem Auswärtssieg könnten Janko und sein Team die Tabellenführung erobern.

Meistertitel als Betriebsunfall

Doch im Spiel PSV gegen Twente geht es um mehr als um die Tabellenführung. Das Duell symbolisiert den Kampf des kleinen Emporkömmlings Twente gegen das holländische Fußball-Establishment. Ajax, PSV, Feyenoord. Diese drei Klubs gewannen gemeinsam 64 Meistertitel und holten sechsmal die Champions League (bzw. den Meisterpokal). Neben diesen großen Ikonen des Weltfußballs mutet der Klub aus der Kleinstadt Enschede an der deutschen Grenze wie ein kleiner Störenfried an. Der heurige Meistertitel (der zweite für Twente nach 1926) scheint ein Betriebsunfall zu sein.

Dass Twente in der Champions League spielt, ist in Wahrheit alles andere als ein Betriebsunfall. Noch 2004 war der Klub konkursreif. Doch mit Joop Munsterman kam ein beinharter Sanierer an die Spitze des Vereins. Der Topmanager des britischen Medienkonzerns Mecom formte aus dem abgetakelten Provinzklub eine florierende Ausbildungsstätte. Mit großen Transfers wie Eljero Elia, Engelaar oder eben Österreichs Marko Arnautovic scheffelte der Klub Millionen. Mittlerweile begeistert Twente nicht nur die Fans der 160.000-Einwohner-Stadt. Zu den Heimspielen pilgern auch 4000 Zuschauer aus Deutschland nach Enschede.

In Sachen Nachwuchsförderung existiert die Grenze zu Deutschland ohnehin nicht mehr. Mehr als 40 jugendliche Germanen tummeln sich in der Twente-Akademie, die als eine der besten in den Niederlanden gilt. Täglich tingeln 20 Busse durch die Gegend und chauffieren die Talente zum Training und wieder nach Hause. Das Stadion platzt längst aus allen Nähten und wird in Kürze auf eine Kapazität von 40.000 Zuschauern erweitert. Denn mittlerweile träumt man auch bei Twente, dass man irgendwann die Titel nicht mehr zählen muss. gh

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2010)

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