Spanien - Italien: Wien fiebert mit

Spanien Italien Wien fiebert
Spanien Italien Wien fiebert(c) EPA (Piotr Pedziszewski)
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Knapp 11.000 in Wien lebende Italiener und 4000 Spanier werden beim Finale der Fußball-Europameisterschaft 2012 ihre Teams anfeuern. Allen voran die Botschafter der beiden Länder.

Der Mittelpunkt der Welt ist am Sonntagabend das Olympiastadion in Kiew. Dorthin richten sich alle Blicke, wenn heute Italien im Finale der Euro 2012 auf Spanien trifft. In Wien werden etwa 15.000 Menschen mit ganz besonderer Spannung auf dieses Endspiel warten – ein großer Teil der knapp 11.000 Italiener und 4000 Spanier, die hier leben, wird sich wohl in der österreichischen Hauptstadt vor die Fernseher setzen oder sich zu Public Viewings zusammenfinden.

Beliebte Treffpunkte der Italiener sind, wie schon in den vorangegangenen Spielen zu sehen war, das WUK und die Strandbar Herrmann. Und dann gibt es auch noch einen Geheimtipp: den Keller des Eissalons Zanoni am Lugeck im ersten Bezirk, in dem sich fast ausschließlich eingefleischte italienische Fans treffen.

„Am Sonntagabend wird es in jedem italienischen Restaurant ein kleines Public Viewing geben“, sagt Sergio Pagano, italienischer Botschaftsrat in Wien. Er vertritt den derzeit im Ausland weilenden Botschafter Eugenio d'Auria. „Ich werde mir das Finale zusammen mit Landsleuten in der Wohnung eines Freundes ansehen“, verrät Pagano. „Es wird ein großes Fest, und ich hoffe sehr, dass Italien gewinnt. Nach den politischen Turbulenzen der letzten Zeit wäre das Balsam auf die Seele der Italiener, für die Fußball so wichtig ist.“

In einer „großen Gruppe mit Spaniern, Österreichern und Italienern“ will auch der spanische Botschafter in Wien, D. Yago Pico de Coaña y de Valicourt, das Finale sehen. „Aber wir haben noch keine passende Location gefunden, weil wir nicht wissen, wie viele wir sein werden“, meint der Diplomat. Der Abend werde aber trotz aller Rivalität im Zeichen der Freundschaft zwischen den zwei Ländern stehen, die sehr viel gemeinsam haben. „Falls die Italiener gewinnen sollten, werde ich ihnen herzlich gratulieren, aber ich wünsche mir selbstverständlich eine erfolgreiche Titelverteidigung Spaniens – so wie alle meine Landsleute in Wien, die sich mit vielen anderen Spanien-Fans in spanischen Lokalen treffen werden.“


„KleineInseln“ der Spanier. Trotz der vielen Spanien-Fans in Österreich – die spanische Infrastruktur in Wien ist überschaubar. Die eine oder andere Tapas-Bar – die wohl beste ist die Puerta del Sol in der Lange Gasse –, ein paar Restaurants, ein Spezialitätengeschäft, zwei Vereine, jenen der Spanier und einen der Katalanen in Wien, das Instituto Cervantes, einzelne Kindergärten, in denen Spanisch gesprochen wird.

Pablo Morales Albiñana spricht von „kleinen Inseln“. Er kam vor 14 Jahren als Softwareentwickler nach Wien, vor sechs Jahren war er einer der Gründer der Asociación Española, heute ist mehr als jeder zehnte Spanier in Wien dort Mitglied.

„Jeder hat ein paar spanische Freunde, aber es ist keine eingeschworene Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt“, sagt der gebürtige Madrilene. „Ab und zu treffen sich die Spanier bei größeren Veranstaltungen.“ Und natürlich bei den Fußballspielen.

Spanische Lokale und Bars stehen heute im Zeichen der „Furia Roja“, so auch einige Gürtellokale, dort besonders das „All in“ am Währinger Gürtel, neben der Station Alser Straße, heuer das Fußball-Stammlokal der Asociación Española. Der zweite Fußball-Hotspot der Spanier ist das „Manolos“ in der Volksgartenstraße. Dort werden sich heute auch zahlreiche Spanier einfinden, die sich sonst kaum für Fußball interessieren.

„Bei Sportgroßereignissen wie der Europameisterschaft können viele ihr Bedürfnis ausleben, zu einer Gruppe dazuzugehören“, sagt Andrea Engleder vom österreichischen Bundesnetzwerk für Sportpsychologie. „Durch die mediale Allgegenwärtigkeit und die wachsende Popularität von Public Viewings wird dieser Wunsch noch verstärkt.“ Für Engleder trägt das gemeinsame Schauen von Fußballspielen zur Identitätsbildung bei und stärkt das Selbstwertgefühl und den (gesunden) Nationalstolz.

In der Gunst der Wiener Fans dürften laut Engleder beide Mannschaften auf ähnlich viel Sympathie stoßen, da es sich um zwei beliebte südliche Länder handelt. „Die Entscheidung, welches Team man unterstützt, hängt von ganz persönlichen Dingen ab – manche finden italienisches Essen besser und halten deshalb zu Italien, andere wiederum haben spanische Freunde oder sind von der Spieltaktik der Spanier begeistert und unterstützen sie deshalb.“


Krisenflüchtlinge. In Wien steigt übrigens sowohl die Zahl der Italiener als auch die der Spanier – in den vergangenen Jahren vor allem durch Krisenflüchtlinge. „Wir bekommen jede Woche E-Mails von Spaniern, die uns fragen, welche Chancen sie hier haben“, erzählt Morales Albiñana.

Von den Italienern spricht er als „Cousins“, nicht von Brüdern, „aber wir sind eine Familie, wir sind ja alle Südländer. Wenn Italiener und Spanier das Match heute gemeinsam sehen, wäre das sicher kein Problem.“ Ihm, so sagt er, wäre ein Finale gegen die Deutschen aber fast lieber gewesen, da die Rivalität größer sei. Und aus persönlichen Gründen: „Am Montag fahre ich nach München, es wäre lustig gewesen mit dem spanischen Trikot dort herumzuspazieren.“ Nach einem Triumph, versteht sich. Alles andere als ein Sieg? Undenkbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2012)

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