Zinedine Zidane war Weltfußballer, der Franzose gewann Titel sonder Zahl. Nun widerlegte er Kritiker, die sein Engagement als Trainer von Real Madrid infrage stellten.
Madrid. Dieser Job komme für ihn zu früh. Der Franzose habe keine Ahnung, keine Erfahrung und auch keine Titel als Trainer gewonnen, daher komme er für den Posten als Cheftrainer bei Real Madrid nicht infrage. Zinedine Zidane spaltet wie kaum ein anderer Real-Trainer die Meinungen in Spanien. Doch der Franzose, einst selbst grandioser Fußballer, Weltmeister, Champions-League-Sieger etc., versteht es offenbar doch, schwierige Charaktere, Stars und Mitläufer zu einer Einheit zu formen.
Zumindest nach dem 2:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel gegen AS Roma wurden „Zizou“ und sein Ballett gefeiert. Zidane, 43, war zufrieden mit seinem Trainerdebüt auf internationaler Ebene, er stieg aber gleichzeitig auf die Euphoriebremse. „Das war nur der Anfang, wir haben noch nichts erreicht.“
Real Madrid steht für Prunk, Größe, Glanz, Prestige, Glamour, Geld, Erfolg – und so müssen auch alle Angestellten sein. Populär, erfolgreich. Für gewöhnlich sorgt eine Anhäufung teurer Stars für den Erfolg, an der Seitenlinie wachen Ikonen der Zunft wie Carlo Ancelotti, José Mourinho, Fabio Cappello oder Jupp Heynckes. Alle mit Titeln und gehöriger Erfahrung bei anderen Topklubs. Nun muss es Zidane richten, der zuvor nur die B-Mannschaft Reals betreut hat. Als Notlösung, weil so schnell kein anderer namhafter Akteur für den gescheiterten Rafael Benítez parat stand.
Zidane gibt Größen wie Ronaldo, Bale, James oder Benzema den Weg vor. Er steht in der Coachingzone, schreit, er gestikuliert. Dieser Mann scheint der beste Rückhalt, er ist eine Respektsperson. Ronaldo lief zu ihm, um das Tor zum 1:0 zu feiern. So etwas geschieht selten, eigentlich nie, normal zeigt der Star nur seine eigenwillige Torpose. Doch es war sein zwölftes in dieser Europacupsaison, das 89. in der Champions League – aber das erste Auswärtstor seit 29. November 2015. Und damit war klar: Der Franzose erreicht den Portugiesen wie kein anderer.
Volleys, Tipps, alle Tricks
Er kann motivieren, antreiben, hat Ideen, Größe und Charakter, um Widerstände zu brechen, die verlangte Einheit zu bilden. Zidane weiß, was von ihm erwartet wird. Vom elften CL-Triumph wird geträumt, doch davon wollte der Franzose nichts wissen. „Es war ein großartiges Match von Ronaldo – und dem Rest des Teams. Wir bilden eine Mannschaft, jeder Einzelne ist wichtig in dieser Gruppe. Auch die, die nicht gespielt haben.“
Bei Reals neuntem Königsklassen-Triumph 2002 schoss Zidane im Finale das Volley-Siegtor zum 2:1 über Leverkusen. Den zehnten Titel erlebte er 2014 als Assistent von Ancelotti auf der Bank. Und nun strahlt der frühere Weltklassefußballer selbst als Betreuer neue Zuversicht aus. Er hat die Mannschaft von taktischen, defensiven Zwängen seines Vorgängers befreit und zur Freude aller Anhänger der Offensive mehr Gewicht verliehen.
Für Real ist die Champions League stets das höchste Ziel in jeder Saison, aktuell jedoch von besonderer Bedeutung. Die Madrilenen liegen in der Primera Division weit hinter Barcelona zurück und sind in der Copa del Rey längst ausgeschieden. Es bleibt also nur dieser Pokal übrig für den so nach Silberwaren gierenden Verein. Wenn der ehemalige B-Trainer Zidane also auf Anhieb die Königsklasse gewinnt, hätte er auch mit einem Klischee aufgeräumt. Gute Fußballer, behauptet der Volksmund, werden nicht automatisch gute Trainer. Es gibt Beispiele sonder Zahl, die das belegen. Aber Zinedine Zidane war schon als Spieler eine echte Ausnahmeerscheinung.
Im Parallelspiel siegte Wolfsburg in Gent mit 3:2. Julian Draxler schoss zwei Tore, das zweite hatte sogar Seltenheitswert. Erst ein Gurkerl, dann ein Schupferl . . . (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)