Arsène, Arsenal – das Ende einer Ära

Verbissen, ehrgeizig, stur: Ars`ene Wenger kündigte nach 22 Dienstjahren seinen Abschied von Arsenal an.
Verbissen, ehrgeizig, stur: Ars`ene Wenger kündigte nach 22 Dienstjahren seinen Abschied von Arsenal an.APA/AFP/MARCO BERTORELLO
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Arsène Wenger tritt nach 22 Dienstjahren mit Saisonende ab, der Elsässer, 69, gilt als Kultfigur auf der Trainerbank. Klubchefs und Fans begehren Erfolge, daher setzte er den finalen Impuls.

London. Arsène Wenger tritt mit Saisonende ab. Für sehr viele Fans kommt der Abschied des 69-jährigen Franzosen bei Arsenal London dennoch um Jahre zu spät. Es fehlte zuletzt schlichtweg der Erfolg, der siebente Gewinn des FA-Cups im Vorjahr war zu wenig. Romantiker würden ihm ob der Errungenschaften noch weitere Jahre auf der Bank der Gunners wünschen, doch der vierte Gewinn der Premier League nach 1998, 2002, 2004 ist in dieser Konstellation illusorisch. Aber, wer kann schon 22 Dienstjahre so einfach wegwischen, abhaken? Selbst im Profibusiness hinterlässt das Spuren, bis Saisonende jedenfalls.

Wenger hat, in diesem Punkt sind sich Gegner, Kritiker, Besserwisser, Medien, Fans und „Lads“ in den Pubs einig, den Nordlondoner Klub zu dem gemacht, was er heute ist: eine Größe in Europa. Nur, seit Jahren in der Liga und in der Champions League, sind die Gunners einen Hauch hintennach. Die letzten Spiele brachten Anhängerschaft, Klubchefs und auch den Elsässer selbst zur Verzweiflung. Also traf er, der Gentleman, die für alle Seiten einzig taugliche Entscheidung. Arsène Wenger geht. Ehe er tatsächlich gehen muss.

Eloquent, ein Gentleman

Arsenal, seit 14 Jahren nicht mehr Meister, dafür aber seit 20 Jahren en suite in der Königsklasse und 2006 im Finale, ist derzeit nur Tabellensechster. Die Proteste gegen seine Person sind seit Monaten nicht mehr zu überhören. „Wenger out“-Plakate sind bei jedem Heimspiel die breite Dekoration im Emirates Stadium. Doch Wenger konnte respektive wollte partout nicht loslassen. Die ihm von Klubeigner Stan Kroenke gewährte Vertragsverlängerung bis 2019 war für viele ein kapitaler Fehler.

Der Klub wird in dieser Saison erneut einen Platz in den Top 4 der Meisterschaft verpassen und kann sich nur noch durch einen Gewinn der Europa League für die Champions League qualifizieren. Im FA Cup war der Rekordpokalsieger durch ein schwerst ernüchterndes 2:4 in der dritten Runde bei Zweitligist Nottingham Forest gescheitert. Im Finale des weniger bedeutenden Ligapokals setzte es eine 0:3-Abfuhr gegen Manchester City.

Deshalb macht sich kaum Abschiedsschmerz bemerkbar. Die Verdienste des Elsässers, der 1996 aus Nagoya, Japan, geholt worden war, um bei den Gunners den Neuanfang einzuleiten, sind unbestritten. Doch wie viele andere Größen im öffentlichen Leben, ob Tenor, Popstar, Boxer oder Politiker, hat auch Wenger x-mal den rechten Augenblick des Absprunges verpasst. Der Cupsieg im Vorjahr wäre die optimale Chance gewesen für den Abgang mit Stil. Nur Wenger, gewohnt eigenwillig bis stur, verbissen oder gar uneinsichtig, blieb.

1998 und 2002 war Arsenal Double-Sieger. In der Spielzeit 2003/04 blieb der Klub als bis dato einziges Premier-League-Team eine ganze Saison lang ungeschlagen (26 Siege, zwölf Remis).

Abschied ja, aber warum jetzt?

Er verstand es stets, begnadeten Spielern wie Bergkamp, Henry, Petit, Vieira, Fàbregas, van Persie, Sánchez etc. das nötige Extra abzuverlangen. Wengers Eloquenz ist beeindruckend, er spricht neben Französisch fließend Englisch, Italienisch, Spanisch, Japanisch und auch ein paar Brocken Deutsch, wie er bei Trainingslagern in Kapfenberg und Bad Waltersdorf stets unter Beweis stellte. Jeder Fußballer spurte, Exzesse sind kaum überliefert – und tanzte mal einer aus der Reihe, wurde er abseits der Öffentlichkeit eisern sanktioniert.

Wenger gilt als Motivator, der Zeitpunkt seiner Abschiedserklärung irritiert dennoch. Eventuell aber hat er mit dem Setzen des letzten Schrittes den finalen Impuls geliefert. Für die letzte Chance, zum 21. Mal en suite in der Champions League zu spielen, muss Arsenal die Europa League gewinnen. Im Halbfinale wartet am Donnerstag Atlético, der Finalsieg wäre ein mehr als würdiger Schlussakkord für Wengers Ära. Aus dieser Sicht ist nachvollziehbar, warum der Klub den Namen des Nachfolgers nicht nennt. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2018)

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