In England werden absurde Summen bei Transfers geboten, sogar in der dritten Liga. Bei deutschen Vereinen wächst zusehends der Unmut darüber: „Irgendwann platzt auch diese Blase."
Sunderland. Läuft die Transferzeit im Fußball, kursieren Gerüchte, kommen und gehen Berater oder Manager, absolvieren gehandelte Spieler fortlaufend medizinische Tests. Manch Deal platzt, weil patschert gearbeitet wurde, im Faxgerät kein Papier, der Handyakku leer oder ein Flug verspätet war. Oder, weil der Neuzugang die Winterpause im Wirtshaus verbracht hat. Ist das Transferfenster einmal geschlossen, wird immer sofort abgerechnet. Und, jedes Mal wird die Summe, die für neue Spieler ausgegeben wird, höher.
Nun hat sogar Kultstürmer Will Grigg für einen Transferrekord gesorgt, der den Geldwahn in Englands Fußball auf ein neues Level hebt. Der Nordire wechselte in die dritthöchste Liga – um 4,6 Millionen Euro von Zweitligist Wigan zum AFC Sunderland. Eine so hohe Ablöse wurde noch nie von einem Drittligisten bezahlt. Grigg, 27, erlangte durch Song „Will Grigg's on Fire" europaweit Popularität. In dieser Saison schoss er zu oft daneben, aber in England ist dank der milliardenschweren TV-Verträge alles anders: Nur vier Tore aus 17 Partien sicherten Grigg einen eher zweifelhaften Rekord.
Zu den teuersten Wintertransfers zählte auch Emiliano Sala, für den Nantes und Cardiff City eine Ablösesumme von 17 Millionen Euro vereinbart hatten. Das Privatflugzeug mit dem Argentinier an Bord dürfte über dem Ärmelkanal abgestürzt sein.
Die Ruhe vor dem Ansturm
Diese Transferzeit endete in Europas Topligen relativ unspektakulär. Den teuersten Wintertransfer in Deutschland leistete sich RB Leipzig, das für den noch bis März verletzten Amadou Haidara 18 Millionen Euro an RB Salzburg überwies. Insgesamt gaben die 18 Oberhausvereine für 26 Spieler rund 70 Mio. Euro an Ablösen aus und befanden sich damit auf Vorjahresniveau. Der Rekord von mehr als 90 Millionen Euro im Winter 2017 wurde nicht erreicht. Auffällig ist, dass vor allem talentierte, sehr junge Profis immer höher im Kurs stehen.
205 Millionen Euro wurden von 20 Premier-League-Klubs in neue Spieler investiert. Vor einem Jahr waren in der mit Abstand finanzstärksten Liga der Welt 490 Millionen Euro an Ablösen geflossen. Mittlerweile kommen auf der Insel wie auf dem Festland Leihgeschäfte zusehends in Mode, Chelsea (siehe Artikel unten) ist in diesem Punkt der Marktleader.
Eintracht Frankfurt, Klub von Adi Hütter, verpflichtete auf den letzten Drücker zwei Spieler. Der in Augsburg in Ungnade gefallene Martin Hinteregger wurde bis Saisonende ausgeliehen. Zudem wurde die Verpflichtung des brasilianischen Abwehrspielers Lucas Melo vom FC São Paulo perfekt gemacht.
Pausenlos läutet das Telefon
„Irgendwann platzt jede Blase", kritisierte Christian Heidel, Schalkes Sportvorstand, beim Branchenkongress Spo-Bis in Düsseldorf vor allem das Geschäftsgebaren der Engländer. Vor Schließung des Wintermarkts klingele pausenlos das Telefon, „weil sie uns Spieler verleihen wollen, die sie vorher für 15 oder 20 Millionen Pfund gekauft haben", sagte Heidel. Er selbst ging aber auch auf der Insel einkaufen. Schalke engagierte den 18 Jahre alten Stürmer Rabbi Matondo von Manchester City.
Auch ihm seien in den letzten Tagen „reihenweise Spieler aus England angeboten" worden, verriet Frankfurt-Vorstand Fredi Bobic. „Sie wollen ihre Kader ausdünnen", sagte er, sieht aber bei Ablösesummen kaum noch Steigerungspotenzial. „Auch dort sind irgendwann die Grenzen erreicht. Es wird deshalb mehr zwischen den Vereinen hin- und hergetauscht. Ich fühle mich dabei manchmal an meine Jugend erinnert, als wir Panini-Bildchen getauscht haben."
Auf der Einnahmenseite stehen knapp 82 Millionen Euro. Mit 40 Profis verließen deutlich mehr Spieler Deutschland, als verpflichtet wurden. Am kräftigsten räumte Hoffenheim seinen Kader auf. Gleich sieben Profis wurden verliehen. Mit dem brasilianischen Abwehrtalent Lucas Ribeiro kam nur ein Neuer. „Vielleicht ruft Real Madrid noch an und will irgendeinen von uns für 90 Millionen. Dann würden wir das auch noch schnell machen", ätzte TSG-Coach Julian Nagelsmann. (red.)
( "Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2019)