Die „slowenische Mauer“

Auf Flugabwehr spezialisiert: Sloweniens Schlussmann Jan Oblak.
Auf Flugabwehr spezialisiert: Sloweniens Schlussmann Jan Oblak.(c) Stanislav Krasilnikov / Tass / p (Stanislav Krasilnikov)
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EM-Qualifikation. Wenn Österreich heute Slowenien empfängt, steht der größte Star dieses Duells zwischen den Pfosten: Jan Oblak ist schon mit 26 Jahren der vielleicht beste Tormann der Welt.

Klagenfurt/Wien. Sollte sich Österreichs Fußballteam trotz der chronischen Stürmer-Krise heute das ein oder andere Mal durch die slowenische Hintermannschaft kombinieren, gilt es dort auch noch, den vielleicht besten Tormann der Welt zu überwinden. Jan Oblak, Sloweniens Schlussmann und bei Atlético Madrid als „slowenische Mauer“ gefeiert, ist der unumstrittene Star beim EM-Qualifikationsduell zwischen Österreich und Slowenien in Klagenfurt (20.45 Uhr, live ORF1). Bemerkenswert dabei: Niemand sonst von dieser Klasse fliegt im Weltfußball so tief unter dem Radar der Aufmerksamkeit wie Oblak.

Das liegt auch am Slowenen selbst. Unauffälliger, kaum aktualisierter Social-Media-Auftritt, keine Sprüche, kaum Interviews, weder Jubelposen noch Wutausbrüche. Ein Tormann müsse schon ein wenig verrückt sein, heißt es. Doch Oblak verkörpert jene Tugenden, die es letztlich zwischen den Pfosten braucht: Souveränität, Konzentration, Gelassenheit.

Mit seinen 1,88 Metern Körpergröße vereint die Nummer eins von Atlético Madrid die ideale Mischung aus Beweglichkeit, Tempo und Reichweite. Besonders auffällig beim gerade erst 26-Jährigen: er leistet sich keine Fehler. Packt er zu, ist der Ball aus dem Spiel. Bei seinen Paraden gibt es keine Abpraller und keine zweiten Chancen für die gegnerischen Stürmer. Dafür hat sein Team umso schnellere Konterangriffe. Auch hohe Bälle, eine Problemzone vieler Top-Tormänner, zählt er zu seinen Stärken.

Bisher unerreichte Zahlen

Die Legende von Oblaks Entdeckung wird so erzählt: Als Neunjähriger kam er mit nach Laibach zu einem Turnier seines Vaters, ein Amateur-Goalie. In den Pausen stellte er sich ins Tor und parierte die Schüsse seiner älteren Schwester (mittlerweile Basketball-Teamspielerin). Verantwortliche von Olimpija Ljubljana wurden aufmerksam, ab sofort pendelte er täglich 60 Kilometer zwischen seinem Heimatort Škofja Loka und dem Trainingszentrum in der Hauptstadt. Sogar mit dem Fahrrad, wenn es sein musste. Später soll Olimpija-Goalie und Tormanntrainer Robert Volk seinen Platz im Profikader freiwillig für den 16-Jährigen geräumt haben. „Dieses Kind ist besser als ich.“

Doch schon am Ende dieser Saison wechselte der Youngster zu Benfica Lissabon. Oblaks Durchbruch gelang mit einer überragenden Vorstellung beim 2:0 über Erzrivale FC Porto. Es folgte der Transfer zu Atlético, mit den Madrilenen stand Oblak mit 21 Jahren in seinem ersten Europa-League-Finale. Mittlerweile strahlt er die Routine von zwei weiteren Europacup-Endspielen aus, darunter die bittere Niederlage im Elfmeterschießen im Champions-League-Finale 2016 gegen Real Madrid. In der spanischen Liga allerdings hat er Ronaldo und Messi mehr als nur einmal zur Verzweiflung gebracht.

„Bin erwachsen und ruhig“

Diego Simeone, sein Coach bei Atlético, hält Oblak für den besten Keeper der Welt. Auch die Zahlen legen das nahe. Drei Jahre in Folge hat er die Zamora-Trophäe für die wenigsten Gegentore in der Meisterschaft erhalten. In seiner erst 178. Profi-Partie im November des Vorjahres hat er zum 100. Mal kein Gegentor kassiert, ein Wert, in dessen Nähe bisher nur Manuel Neuer und Peter Čech gekommen sind. „Ich habe mit De Gea and Courtois gespielt, aber Oblak ist der Beste. In Schlüsselmomenten ist er immer zur Stelle“, schwärmte Atléticos Urgestein Juanfran.

Oblaks Erklärung? Er habe immer schon ein wenig erwachsener gedacht als Gleichaltrige. In meinem Kopf fühle ich mich wie ein 40-Jähriger“, sagt der Slowene. „Für einen Tormann ist es wichtig, erwachsen und ruhig zu sein. Damit kannst du mehr erreichen.“

Im slowenischen Nationalteam hat Oblak im Vorjahr pausiert und damit die 0:3-Testspielniederlage im März 2018 in Klagenfurt gegen Österreich verpasst. Für die EM-Qualifikation kehrte er zurück. „Ich hoffe wirklich, bei einer EM oder WM zu spielen. Das ist ein Traum von mir.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2019)

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