Torwartdebatte

Deutsches Nationalteam: Dicke Luft zwischen den Pfosten

Markige Sätze von Bayern-Boss Uli Hoeneß.
Markige Sätze von Bayern-Boss Uli Hoeneß. (c) APA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Die Torwartdebatte in Deutschland ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Grund ist ein Rundumschlag des scheidenden Bayern-Präsidenten, Uli Hoeneß, samt Boykottdrohung.

München. Bevor er im November als Präsident des FC Bayern abtreten will, hat Uli Hoeneß seinem Klub noch einmal einen Bärendienst erwiesen. Denn die wüste Polterei des 67-Jährigen in der deutschen Torwartdebatte hat seinem Schützling Manuel Neuer mehr geschadet denn genutzt.

Neu ist der Streit um das Einserleiberl im deutschen Nationalteam nicht. Aufgekocht wurde er wieder vergangene Woche, als der FC Barcelona in der Champions League bei Borussia Dortmund gastierte und der deutsche Barça-Goalie Marc-André ter Stegen mit Glanzparaden am laufenden Band Dortmund einen Sieg verwehrte (0:0). Dass ter Stegen, 27, zwischen den Pfosten einer der besten der Welt ist, wusste man seit Herbst 2016. Da stieg der 1,87-m-Mann in Barcelona zum Stammtorhüter auf, seither hat er wesentlichen Anteil an den Erfolgen von Messi und Co.

Doch Deutschland hat schon eine Nummer eins. Manuel Neuer, 33, war der Erfolgsgarant beim WM-Titel 2014 und ist unumstrittener Stammgoalie bei Serienmeister Bayern München.

Schon einmal, vor der WM 2018, musste sich Teamchef Joachim Löw entscheiden: Hier Neuer, der gerade einen Mittelfußbruch auskuriert hatte und mangels Spielpraxis ein Unsicherheitsfaktor war, dort ter Stegen, der in Topform und als spanischer Meister ins Teamcamp eingerückt war. Löw entschied sich für Neuer und hält seither am Bayern-Profi fest.

Am Rande eines PR-Termins hat ter Stegen nun über seine nicht immer einfache Reservistenrolle im Nationalteam gesprochen. Das hat Neuer, seines Zeichens auch Nationalteam-Kapitän, kritisiert – was wiederum ter Stegen als unpassend bezeichnete.

Hier kommt Uli Hoeneß ins Spiel. Der Bayern-Boss sieht Neuer als einzig wahre deutsche Nummer eins und holte zu einem Rundumschlag gegen den Deutschen Fußball-Bund, ter Stegen und einmal mehr die Medien aus. Er erwarte von den handelnden Personen, „dass man den Herrn ter Stegen schon einmal in die Ecke stellt und ihm klar sagt, dass es so nicht geht“.

Dass bei manchen Beobachtern ter Stegen derzeit die Nase vorn hat, brachte Hoeneß endgültig in Rage. „Wir werden das nie akzeptieren, dass hier ein Wechsel stattfindet“, wird er von „Sportbild“ zitiert. Angesprochen auf ein Szenario, in dem Neuer von ter Stegen abgelöst wird, erklärte Hoeneß: „Bevor das stattfindet, werden wir keine Nationalspieler mehr abstellen.“

Ein solcher Boykott wäre ein Bruch der Fifa-Regeln. Die Bayern würden bewusst gegen die vom Weltverband verordnete Abstellungspflicht für Nationalspieler in den Länderspielpausen verstoßen. Ausnahmen werden nur im Falle von Krankmeldungen akzeptiert.

Wenn Löw die Ohren klingeln

Ein Gespräch mit Teamchef Löw lehnte Hoeneß ab. „Er wird jetzt schon hören, was wir alles gesagt haben, ihm werden schon die Ohren klingeln.“ Löw reagierte unbeeindruckt, sagte zu „Bild am Sonntag“: „Von so etwas lasse ich mich nicht beeinflussen.“

Neuer wird dem Teamchef seine Gelassenheit danken. Denn die Drohgebärde seines Bayern-Chefs hat wohl noch viel mehr Anhänger ins Lager von ter Stegen getrieben. Hoeneß selbst relativierte am Mittwochnachmittag. Es seien mitunter Aussagen gewesen, „die er mit etwas Abstand nicht mehr so machen würde“. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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