Mit dem 0:0 von Belgrad ist das Champions-League-Play-off für Salzburg nicht verloren, es deckte allerdings eklatante Offensivschwächen auf. Junuzović fällt mit Muskelverletzung aus.
Salzburg/Wien. Im Hinspiel wird ein Europacupduell eher selten vorentschieden. Es sei denn, eine der beiden Mannschaften setzt auf Offensive, erarbeitet sich unaufhaltsam Räume, profitiert von Patzern des Gegners, versprüht Esprit, Siegeswillen, macht sich mit Körpereinsatz bemerkbar – und schießt vor allem wichtige Auswärtstore. Von all diesen, theoretisch wunderbar klingenden Aspekten erfüllte Salzburg im Hinspiel gegen Roter Stern Belgrad keinen einzigen.
Was sich in Serbien bemerkbar machte und auch beim Rückspiel von Tragweite sein könnte, ist das Fehlen eines Leitwolfes wie ihn Valon Berisha verkörpert hatte. Einsatz, Biss, Pässe oder Fouls – er zeigte es, wenn es sein musste. Er motivierte, riss Mitspieler mit. Junuzović war das nicht gelungen. Auch Yabo oder Dabbur nicht.
Das war einer der Hauptgründe, warum die Bullen beim 0:0 nie an das Frühjahrsniveau der Europa League bei Erfolgen gegen Sociedad, Dortmund, Lazio oder Marseille herankamen. Dass sich Inaktivität rächen kann, bewies die einzige Großchance der Serben. Ramalho verschuldete unnötig einen Corner, Torhüter Stanković verhinderte mit einer Glanztat den Rückstand nach einem wuchtigen Kopfball von Degenek (70.).
Der Vorteil
In sieben Auswärtsspielen im Rahmen des CL-Play-off ist Salzburg weiterhin sieglos. Drei Remis stehen vier Niederlagen (0:3 Malmö 2014, 0:3 Haifa 2009, 1:3 Donezk 2007, 0:3 Valencia 2006) gegenüber. Mit dem 0:0 ist aber noch nichts verloren.
Die Bullen waren über lange Phasen dieser Partie, deren Anmutung eher einem sommerlichen Test denn einem der wichtigsten Bewerbspiele der Klubgeschichte überhaupt glich, sogar besser. Man sah, dass Salzburg das von den Serben ausnahmslos defensiv und auf Konter ausgerichtete Match lenken, ja kontrollieren konnte.
Hätten sich Junuzović, Yabo oder Wolf (nur mit dem linken Fuß gut) nur getraut, öfter tiefe Pässe oder Vorlagen zu spielen, womöglich Flanken – auf den im Strafraum verloren wirkenden Dabbur – zu schlagen, die Ausgangslage hätte erfreulicher sein können.
Es ist allerdings bezeichnend, wenn Trainer Marco Rose davon spricht, dass dem „einen oder anderen Spieler die letzte Überzeugung gefehlt“ habe. Wann, wenn nicht in so einer Partie, die alle Türen ins „Schlaraffenland des Fußballs“ öffnen könnte, muss ein Profi denn nach dem Erfolg streben? Oder waren die Bullen plötzlich gehemmt, weil Erinnerungen an zehn Fehlversuche aufkeimten?
Der Nachteil
Mit dem 0:0 ist Salzburg ein Endspiel im eigenen Stadion sicher. Das fehlende Auswärtstor hilft allerdings Belgrad. Denn trifft Roter Stern nächsten Mittwoch (21 Uhr, Sky), muss der Gastgeber in doppelter Ausführung, so verlangt es die Europacupregel, antworten. Das erscheint nach diesem Auftritt – ob der Ideenlosigkeit und fehlenden Durchsetzungskraft der Bullen oder der betonartigen Zehn-Mann-Abwehrformation der Serben – allerdings zweifelhaft.
Die Vision
Salzburg hatte sich in Belgrad keine einzige Torchance erarbeitet. Das muss beim Retourspiel vor ausverkauftem Haus anders sein, muss mit Hirn und Herz gespielt werden. Von Yabo und Dabbur muss mehr kommen, Samassékou braucht Bälle. Es muss schneller gelingen, ohne Zögern. Es darf kein Zweifel aufkommen, wer den Aufstieg unbedingter will. Aber: Junuzović dürfte mit Muskelfaserriss länger ausfallen.
Egal. Salzburg muss gewinnen. Diese große Chance darf nicht vergeben werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)