Lask-Trainer Valérien Ismaël: „Ich fange nicht bei Null an“

Der Lask ist Valérien Ismaëls vierte Cheftrainer-Station.
Der Lask ist Valérien Ismaëls vierte Cheftrainer-Station.Reinhard Eisenbauer / EXPA / picturedesk
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Hoch hängt die Latte für Valérien Ismaël beim Lask. Der neue Trainer strebt nach Spielberuhigung und vergleicht mit Deutschland.

Der Wechsel an der Seitenlinie bei Vizemeister Lask war keine Überraschung, allenfalls der Name des neuen Trainers. Nach der erfolgreichsten Saison der jüngeren Klubgeschichte war Oliver Glasner nicht zu halten, die Früchte seiner Arbeit soll und darf nun Valérien Ismaël ernten. Schon vor viereinhalb Jahren waren die Linzer erstmals an den Deutsch-Franzosen herangetreten, damals tauschte man sich aus, wurde sich nicht eins – aber blieb in Kontakt. Im zweiten Anlauf stimmten nun die Bedingungen für beide Seiten. „Ein drittes Mal wäre der Lask nicht gekommen“, scherzt der 43-Jährige auf Nachfrage, was diesmal den Ausschlag gegeben hat. Ismaël hat parallel noch mit einem anderen Klub verhandelt, doch das Linzer Gesamtpaket hat ihn voll überzeugt: „Man spürt, dass der Verein eine Vision hat.“

Beim Lask, so betont Ismaël, „wusste ich genau, wo die Reise hingeht.“ Das war bei den vorangegangenen Stationen seiner noch jungen Trainerkarriere vielleicht nicht immer so. Das Debüt bei Zweitligist Nürnberg (vier Siege in 14 Spielen) endete 2014 jäh, 2017 musste er auch den Platz auf der Wolfsburger Trainerbank (vier Siege in 13 Spielen) vorzeitig räumen. Im vergangenen Sommer schloss ein Abstecher nach Griechenland zu Apollon nach nur vier Monaten und einem Spiel im Streit mit dem Klubpräsidenten. Das Lask-Kapitel wird ein völlig anderes werden, glaubt Ismaël: „Wir denken alle in die gleiche Richtung und sind überzeugt davon.“


Die Schrauben drehen. Beim Linzer Traditionsklub hebt Ismaël die Rückendeckung des Vorstands („Der Präsident ist bereit, die volle Unterstützung zu geben, um die nächsten Schritte zu machen“), auch mit Stichwort Stadion, ebenso wie die intakte Mannschaft hervor. Mit João Victor (folgte Glasner nach Wolfsburg) und Maximilian Ullmann (Rapid) sind im Sommer nur zwei Leistungsträger abhanden gekommen, angeführt von Stürmer Thomas Sabitzer (Cousin von Teamspieler Marcel Sabitzer) einige hoffnungsvolle Talente dazugestoßen. „Ich komme zu einem Verein, bei dem ich nicht bei Null anfangen muss“, so sein Resümee. Neben den Gesprächen hat sich der zweimalige Double-Gewinner mit Bremen (2004) und Bayern (2006) zudem von seinem Wohnort Erding bei München aus, auch in Innsbruck, Salzburg oder St. Pölten selbst „einen Hintergrund vom österreichischen Fußball“ gebildet. „Ich wusste, dass die Mannschaft sehr weit ist, man nur ein paar Schrauben drehen muss.“ Die ersten Wochen samt erfolgreichem Cup-Auftakt hätten ihn darin bestätigt.

In der täglichen Arbeit will Ismaël auch keinen Unterschied zu seiner früheren Arbeitsstätte in Wolfsburg erkennen – eigener Einsatz inklusive, wie er erklärt: „Ich arbeite auf dem gleichen Level, von halb Acht bis 22 Uhr, wenn es sein muss.“ In Sachen Infrastruktur könne man sich hingegen nicht mit der deutschen Bundesliga vergleichen, auch die geringere Manpower gilt es zu kompensieren. „Wir sind engagiert und innovativ, scheuen keine Arbeit. Wenn es sein muss, dann machen wir eben etwas mehr.“ Die technologische Aufrüstung mit Kameras und GPS-Tracking hat die Trainingssteuerung beim Lask auf ein neues Level gehoben, seither wird akribisch analysiert und die Intensität genau kalkuliert. „Das ist für uns als Trainer Gold wert.“ Dass er sich nach nur 20 Tagen von Athletikcoach Denny Krcmarek getrennt hat, ist für Ismaël schnell und unaufgeregt erklärt: „Da sind zwei Philosophien aufeinander geprallt, die nicht zueinander gepasst haben.“


Power-Fußball mit Balance. Gerade die Fitness wird im Herbst, in dem der Lask erstmals neben Liga und Cup im Europacup spielt – die Champions League (3. Qualifikationsrunde gegen Basel oder PSV Eindhoven) ist in Reichweite, sonst Europa-League-Gruppenphase – auf dem Prüfstand stehen. Der frühere Innenverteidiger, dessen Karriere wegen Knieproblemen 2009 in Hannover endete, weiß um die Herausforderung, möchte aber trotzdem nicht von Belastung sprechen. „Das ist die Belohnung für eine überragende Saison“, sagt Ismaël, der an der Seitenlinie das Gegenteil des impulsiven Glasner vorlebt. „Jeder spielt lieber, als dass er trainiert. Von daher geht es nur darum, es gut zu steuern.“ Regenerationszeit soll sich seine Mannschaft künftig schon während Spielen nehmen. Zu intensiv sei der unter seinem Vorgänger praktizierte Pressing-Stil, um ihn in englischen Wochen zeigen zu können. „Wir müssen die Balance finden, nicht immer diesen Power-Fußball zu spielen, sondern in Ballbesitz Erholungsphasen einbauen“, erklärt er seine Taktik.

Die Vorsaison hat die Latte für Ismaël und die Mannschaft hoch gehängt, noch besser hat der Lask die Tabelle nur in den Meisterjahren 1931 und 1965 beendet. Vom Titel dürfe man nicht träumen, so der Neo-Trainer, er lässt sich im Vorfeld nicht mehr als das obere Play-off als Zielvorgabe entlocken. Aus persönlicher Sicht ist dem 43-Jährigen nicht entgangen, dass Österreich in den vergangenen Jahren als Sprungbrett auf dem Trainermarkt an Reputation gewonnen hat, heuer neben Vorgänger Glasner mit dem früheren Salzburg-Coach Marco Rose ein weiterer den Schritt nach Deutschland geschafft hat. Das Engagement beim Lask möchte Ismaël dennoch nicht mit „irgendwelchen Spekulationen für meine Karriere“ verstanden wissen. „Ich identifiziere mich voll mit der Aufgabe und möchte die durchziehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2019)

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