Die spanische Bewährungsprobe

Fernando Hierro glaubt an eine intakte Mannschaft und die Chance auf den Titel. „Wir sind hier bei einer Weltmeisterschaft, da darf es keine Ausreden geben.“
Fernando Hierro glaubt an eine intakte Mannschaft und die Chance auf den Titel. „Wir sind hier bei einer Weltmeisterschaft, da darf es keine Ausreden geben.“REUTERS
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Gruppe B. Zwei Tage nach Amtsantritt führt Fernando Hierro Spanien in den Schlager gegen Europameister Portugal. Der Ex-Profi rief Spieler und Fans zum Zusammenhalt auf, auf dem Rasen will er das Erfolgsrezept seines Vorgängers fortführen.

Sotschi/Wien. Im Olympiastadion von Sotschi steigt am Freitag (20 Uhr, live, ORF eins, ARD, Sky) das erste Schlagerspiel dieser WM, im iberischen Duell treffen Spanien und Europameister Portugal aufeinander. Die Partie könnte bereits über den Sieg in Gruppe B bestimmen, vor allem aber wird sie die Standortbestimmung für das spanische Team. Die Entlassung von Julen Lopetegui am Mittwoch schockierte den WM-Mitfavoriten nachhaltig und stellte Interimsnachfolger Fernando Hierro vor eine Herkulesaufgabe. „Wir müssen positiv denken. Es war nicht einfach, aber die Jungs sind professionell und es gewohnt, dass Trainer kommen und gehen“, sagte der bisherige Sportdirektor. „Wir haben ein schönes, spannendes Ziel.“

Nach den „schlimmsten 19 Stunden in der Geschichte des Nationalteams“ (Zeitung „Marca“) trat Ex-Profi Hierro, kurioserweise eine Real-Legende, mit der Trainererfahrung einer Zweitligasaison bei Real Oviedo seine Mission an. Allen Umständen zum Trotz habe er bei der Zusage nicht gezögert. „Das hätte ich mir nie verziehen.“ Der geschasste Lopetegui wurde unterdessen am Donnerstagabend offiziell in Madrid vorgestellt.

Der Titel bleibt das Ziel

Er wolle das Werk seines Vorgängers (20 Spiele ohne Niederlage) fortsetzen, erklärte Hierro in Russland: „In zwei Tagen krempelt man die Arbeit von zwei Jahren nicht einfach um. Der Schlüssel wird sein, so wenig wie möglich zu verändern.“ Als Sportdirektor habe er die tägliche Arbeit Lopeteguis genau mitbekommen. Die größte Herausforderung dürfte ohnehin nicht im Spielerischen, in dem die Spanier große Qualitäten mitbringen, liegen, sondern darin, Zusammenhalt und Stimmung im Team hochzuhalten. Zwar sollen sich die Spieler gemeinsam für den Verbleib Lopeteguis ausgesprochen haben, die Bekanntgabe des Wechsel aber durchaus für Spannungen gesorgt haben. Nun wird befürchtet, dass der alte Konflikt zwischen den Abordnungen der Erzrivalen Real Madrid und FC Barcelona aufbrechen könnte.

Die erste Trainingseinheit eröffnete Hierro, der sich drei Assistenten einfliegen ließ, mit einer kurzen Ansprache, auch Kapitän Sergio Ramos richtete Worte an seine Kollegen. „Hätte ich nicht die Überzeugung, dass wir eine großartige WM spielen können, wäre ich nicht hier“, betonte Hierro und wollte die Latte trotz der Turbulenzen nicht herabsetzen. „Das Ziel ist, um den Titel zu kämpfen. Wir haben keine Zeit, an etwas anderes zu denken.“ Die Anhängerschaft bat er um Vertrauen und Einigkeit, auch Kapitän Ramos wandte sich via Twitter an die Fans: „Wir repräsentieren das spanische Wappen, die Farben, die Fans, das Land. Die Verantwortung und die Verpflichtung sind mit euch und für euch.“

Routine und frisches Blut

Nach den Enttäuschungen der WM 2014 (Aus in der Vorrunde) und EM 2016 (Achtelfinale) wartet der spanische Kader mit einer guten Mischung aus der Erfahrung von sechs Weltmeistern von 2010 und frischen Kräften auf. In der Qualifikation wurde zumeist im 4-3-3 mit Sergio Busquets im defensiven Mittelfeld sowie Iniesta und Thiago davor gespielt. Koke und Atlético-Jungstar Saúl sind schlagkräftige Alternativen, sodass der Verzicht auf Fàbregas nicht ins Gewicht fallen dürfte. Die Viererkette mit Alba, Ramos, Piqué und Carvajal wartet mit der Erfahrung von 327 Länderspielen auf, Letzterer wird die Partie jedoch angeschlagen verpassen. In der Offensive liefern Routinier Silva, Isco, Asensio oder der bei Celta Vigo groß aufspielende Aspas Ideen. Einzig an vorderster Spitze sind Optionen rar, mit Costa wurde nur ein echter Mittelstürmer nominiert.

Portugal lässt sich von den Ereignissen im Vorfeld nicht blenden. „Wir schauen nicht auf mögliche Probleme der Spanier“, erklärte Bernardo Silva. „Spanien ist einer der Favoriten auf den Titel und der Favorit für das Spiel. Wir wissen aber, dass wir gut spielen und gewinnen können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2018)

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