Brasilien gegen Costa Rica: Neymar, Künstler auf vielen Ebenen

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Der teuerste Fußballer der Welt schoss beim 2:0 gegen Costa Rica sein erstes Tor bei dieser WM, er glänzte durch elegante Ballbehandlung. Aber übliche Schauspieleinlagen trübten das Bild.

Brasilien hat nach dem Auftakt-Remis gegen die Schweiz sein zweites Spiel bei dieser Weltmeisterschaft gewonnen. Die Südamerikaner siegten in St. Petersburg gegen Costa Rica mit 2:0, die Tore durch Coutinho (91.) und Neymar (97.) fielen erst in der Nachspielzeit. Während Costa Rica, WM-Viertelfinalist 2014, damit vorzeitig ausgeschieden ist, hat Brasilien nun gute Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale.

Natürlich hatte sich auch bei diesem Spiel wieder alles auf Brasiliens Spieler mit der Nummer 10 konzentriert. Neymar da Silva Santos Júnior, kurz Neymar, ist seit seinem Wechsel im August 2017 vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain mit 222 Millionen Euro Ablöse der teuerste Fußballer der Welt. Anschließend wurde der Ballartist von der Öffentlichkeit aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet. Vom teuersten Spieler der Welt werden schließlich auch die spektakulärsten Tore und schönsten Vorlagen erwartet.

Kunststücke und Schwalben

Schauplatz Sankt-Petersburg-Stadion, Freitagnachmittag, bestes Fußballwetter: Neymar ist in höherer Mission hier, in der zweitgrößten Stadt Russlands. Sankt Petersburg soll eine Zwischenstation auf dem Weg nach Moskau sein, dort steigt am 15. Juli nämlich das Finale dieser Endrunde. Und Neymar soll Brasilien zum ersten WM-Titel seit 2002 führen. Der Rekordweltmeister ist mit einer Reihe von Weltklassespielern ausgerückt, und dennoch hebt sich ein Einzelner aus diesem Kollektiv hervor.

Ein eleganter Außenristpass des Linksfußes wird von den Fans mit einem lauten und lang gezogenen „Oooooh“ quittiert, seine Ballbehandlung ist für Zuseher ein Genuss. Neymar ist einer der wenigen Spieler, die es verstehen, aus Fußball Kunst zu machen. Aber, auch Artisten gelingt nicht jedes Kunststück, Pässen fehlt es an Präzision, Schüsse verfehlen ihr Ziel klar.

Neymar gefällt sich in seiner Rolle als Ausnahmekönner, weswegen er sich auf dem Platz nur allzu gern eine Sonderbehandlung wünscht. Schiedsrichter Björn Kuipers aus den Niederlanden erfüllt ihm diesen Wunsch im Spiel gegen eine kampfstarke Elf aus Costa Rica nicht. Etliche Male signalisiert er dem auf dem Rasen kauernden Neymar, er solle aufstehen und weiterspielen. Der Hang des Brasilianers zum theatralischen Schauspiel ist auffällig, eine Parallele zu Portugals Cristiano Ronaldo.
Viel zu selten gibt es für Schwalben und nicht enden wollende Reklamationen eine Gelbe Karte. Neymar sieht sie in der 81. Minute wegen Ballwegschlagens viel zu spät.

Einmal aber überlistet der nimmermüde Neymar Herrn Kuipers an diesem Nachmittag dann doch. Nach einem vermeintlichen Foul im Strafraum (Trikotzupfen) entscheidet der Unparteiische auf Strafstoß, um seine Entscheidung wenige Augenblicke später in der 79. Minute nach Sichtung der Videobilder zu revidieren. „No Foul. No Penalty.“ Neymar blickt ungläubig auf einen der beiden überdimensionalen Videoscreens im Stadion, die das Urteil belegen.

Der lange Weg zur Legende

Nach einer enttäuschenden ersten Halbzeit erhöht Brasilien in den zweiten 45 Minuten die Schlagzahl. Und doch verstärkt sich der Eindruck, dass das Glück der Seleção bedingungslos an jenes von Neymar geknüpft ist. In praktisch jeden Angriff wird der 26-Jährige eingebunden, die Abhängigkeit ist unübersehbar. Späte Tore von Coutinho (91.) und eben Neymar (97.) sind Balsam für Brasiliens Fußballseele, die nach der Schmach der Heim-WM 2014 längst noch nicht geheilt ist.

Steigert sich Neymar im Turnierverlauf, wird sich zwangsläufig auch Brasilien steigern. Ein WM-Titel würde für ihn vieles, nein: alles ändern. Denn noch wird der Edeltechniker in seiner Heimat nicht in einem Atemzug mit Ronaldo oder Romário genannt, der Vergleich mit Pelé hinkt sowieso. Wer in Brasilien keinen Weltmeistertitel vorzuweisen hat, dem fehlt die für Brasilianer allerwichtigste Auszeichnung.

Auch ist es Neymars Persönlichkeit, die die Fangemeinschaft spaltet. Arrogant und überheblich wirkt der Ballkünstler aus Mogi das Cruzes mitunter. Bruno, ein brasilianischer Fan, sagt: „An Ronaldo haben die Leute auch seine menschliche Seite geliebt. Neymar muss die Herzen erst erobern.“ Tore sind also nur der Anfang.

("Die Presse", Printausgabe 23.06.2018)

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