Mark Spitz: Ein Schnurrbart als Protest

Die Presse (Clemens Fabry)
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Schwimm-Legende Mark Spitz über Olympia, Terror, Erfolg und warum Hillary Clinton nicht US-Präsidentin wird.

Die Presse: In den Köpfen hat sich ein ganz bestimmtes Bild von Mark Spitz eingeprägt: Als Superstar der Olympischen Spiele 1972 in München mit stechendem Blick, sieben Goldmedaillen um den Hals – und Schnurrbart. Was ist aus dem Bart geworden?

Mark Spitz: Ich war 38 Jahre alt und mein Bart mittlerweile grau. Da dachte ich: ,Weg damit‘, nach 16 Jahren. Der Grund warum ich überhaupt einen trug, war – Protest. Auf dem College sahen wir aus wie die letzten Hippies, wir hörten Stones und Beatles und diskutierten Vietnam. Mein Coach Doc Counsilman gab die Order aus, bei Olympia adrett anzutreten, ohne lange Haare und so. Also ließ ich mir so ein Ding wachsen – was übrigens ewig gedauert hat. Es sah so lächerlich aus.

Dennoch wurde gerade daraus ihr Markenzeichen...

Spitz: Die russische Delegation erlaubte mir, zeitgleich mit ihnen im Wettkampfbecken zu trainieren. Als ich spitz bekam, dass sie mich fotografierten, baute ich funny strokes ein, unmotivierte Züge, die ich nur zum Spaß machte. Man wollte dann von mir wissen, ob ich eine neue Technik übte und ob der Bart nicht eine Bremse wäre. Nein, meinte ich, der verdränge das Wasser besser und ich könne so besser eintauchen. Ich schwöre: Im nächsten Jahr hatten die Russen alle Schnauzer.

Im August bei Olympia in China werden wir kaum bärtige Schwimmer sehen. Was wird uns erwarten?

Spitz: Großartige Spiele, da habe ich wenig Zweifel. Auch vor Athen 2004 gab es Sorge, die Stadt werde in Chaos und Verkehr ersticken. Das gleiche in Peking: Ich war schon dort und mein Eindruck ist, dass die Chinesen ausgezeichnet vorbereitet und organisiert sind.

Die Schwimmbewerbe wird vermutlich ihr Landsmann Michael Phelps dominieren. Was verbindet Sie mit ihm?

Spitz: Die Zeiten sind nicht vergleichbar. Heute reichen Topleistungen alleine nicht mehr aus. Du musst die Medien anders bedienen, musst ständig erzählen und dich erklären – und du weißt, dass du Unsummen verdienen kannst. Ich hatte das nicht. Ich kann Michael nichts über den Schwimmsport erzählen, wir würden vermutlich über ganz andere Dinge reden. Was uns miteinander verbindet: Wir waren beide bei Olympia, und wir waren zu unserer Zeit die Besten. Darüber können wir uns in zehn, 15 Jahren sicher toll unterhalten. Und es gibt ja einige verrückte Geschichten.

Aber auch eine Tragödie – München 1972. Sind sie rückblickend mit dem Prinzip „The show must go on“ einverstanden?

Spitz: Lassen Sie es mich so sagen: In Israel habe ich mit Hinterbliebenen gesprochen, drei Witwen. Es war allen ein Anliegen, dass die Spiele damals fortgesetzt wurden.

Sind Sportveranstaltungen nicht „dankbare“ Ziele von Terroristen?

Spitz: Es gibt Security für Athleten, Betreuer, Presse und Zuseher. Das ist sehr effektiv und hält die Bewerbe am Laufen – bislang.

Nach ihren sieben Weltrekorden und sieben Goldmedaillen in München waren sie in den USA fast so bekannt wie Präsident Richard Nixon. Warum sind Sie nicht in die Politik gegangen?

Spitz (lacht): Oh, ja, da gibt es ja einige Incentives: Das tolle Flugzeug, das Haus in bester Lage, immer ein Auto und keinen Stau, den eigenen Koch... Nun, für die Wahl 2008 ist wohl schon zu spät.

Bei dieser Wahl könnte erstmals eine Frau Präsidentin werden. Sind die Staaten bereit dafür?

Spitz: Erst kürzlich habe ich das mit meiner Frau diskutiert. Sie kann sich das kaum vorstellen. Natürlich, Hillary Clinton ist eine kluge Frau. Doch in der Bevölkerung stellt man sich eine andere Frage: Ist sie resolut genug, einen Krieg zu führen? So denken heute schon 16-Jährige. Ich weiß das von meinem Sohn.

Ist das Thema „Kriege zu beginnen“ denn so entscheidend?

Spitz: Nun, Amerika beginnt keine Kriege. Aber es ist, wie ich meinen Kids immer gesagt habe: ,Fange keinen Streit an, aber gehe auch keinem aus dem Weg.‘

Trifft das auch auf Ihr Comeback von 1992 zu? Sie verfehlten die Qualifikation für die Spiele in Barcelona. Würden Sie es heute noch einmal wagen, wären sie heute ein End-Dreißiger?

Spitz: Damals hat man mir eine Million Dollar geboten, noch einmal ins Wasser zu steigen. Statistisch gesehen waren meine Bestzeiten von 1972 Anfang der 1990er-Jahre noch immer Top-3. Die Rechnung ging nicht auf: Nicht weil ich körperlich nicht in guter Form gewesen wäre, sondern weil ich im Wettkampf nicht mehr das Messer zwischen den Zähnen hatte.

ZUR PERSON

Mark Andrew Spitz (* 10. Februar 1950) gewann bei Olympia 1972 in München – überschattet vom palästinensischen Terroranschlag auf das Olympische Dorf und dem Tod neun israelischer Sportler – sieben Schwimm-Goldmedaillen. Zuvor hatte er bei Olympia 1968 in Mexiko-City zwei Goldene geholt.

33 Mal fixierte er Weltrekord, ehe er 22-jährig vom Sport zurücktrat.

Sein Versuch, sich für Olympia 1992 in Barcelona zu qualifizieren, scheiterte allerdings.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2008)

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