Eishockey-WM: Die Befreiung im Penalty-Thriller

EISHOCKEY: WM IN PRAG / GRUPPE A: OeSTERREICH - SCHWEIZ
EISHOCKEY: WM IN PRAG / GRUPPE A: OeSTERREICH - SCHWEIZAPA/HELMUT FOHRINGER
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Österreich startete mit einem 4:3-Sieg nach Penalties gegen die Schweiz in die Eishockey-WM in Prag. Das Team strotzte vor Energie, Leidenschaft – und Abspielfehlern.

"Wer nicht hüpft, der ist ein Schweizer!" Ein rot-weiß-rot gefärbter Fanblock in der O2-Arena war vor Freude außer sich. Tausende Zuschauer schrien, klatschten, tanzten und schwenkten Fahnen. Auf der Eisfläche hatten die für gewöhnlich so eisern auftretenden Spieler Tränen in den Augen und als nach Österreichs erstem Spiel bei der Eishockey-WM in Prag auch die Bundeshymne ertönte, war für manchen das Erlebte dann doch zu viel. Es geschieht selten, dass ein Eishockey-Profi weint. Doch der sensationelle 4:3-Sieg gegen die Schweiz nach Penalties öffnete alle Schleusen.

Es sind zwei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt. Wer weiß, vielleicht gibt der Erfolg gegen den Vizeweltmeister von 2013 auch für das zweite Spiel, heute gegen den neunfachen Weltmeister Schweden (12.15 Uhr, Sport+), weitere Kraft. Österreich trifft in Gruppe A noch auf Frankreich, Tschechien, Lettland, Deutschland und Kanada. Ziel ist, nicht abzusteigen, es ist nur dann zu bewerkstelligen, wenn man nicht zu den zwei schlechtesten Teams beider Gruppen zählt.


"Immer wieder, immer wieder." Vor allem der Hergang zeigt, dass die Mannschaft unter Trainer Dan Ratushny einen Wandel vollzogen hat. Das Team machte gegen die Eidgenossen durch Thomas Raffl (23.), Brian Lebler (44.) und Michael Raffl (60.; 50 Sekunden vor Spielende) dreimal einen Rückstand wett. Früher wäre wohl nach einem, spätestens aber nach dem zweiten Gegentreffer eine gewisse Lustlosigkeit eingetreten. Doch diese Auswahl hielt zusammen, gab nicht auf, stemmte sich gegen die Niederlage. „Es gibt keine A... mehr“, sagte Manuel Latusa später in der Mixed-Zone. Er wollte es zwar abschwächen, stand aber zu seiner Meinung. Namen nannte er keine, er sagte: „Jeder glaubt an sich, an die Mannschaft. Wir haben ein Ziel, dafür geht jeder über sein Limit.“

Ein Grenzgänger war Torhüter Bernhard Starkbaum. Er hielt Österreich mit seinen Paraden im Spiel und wenngleich die Schweizer zu oft – sträflichst allein –, vor seinem Tor aufgetaucht waren, sie blieben ein Musterbeispiel an Harmlosigkeit. Im Penaltyschießen parierte der Schweden-Legionär zweimal, Konstantin Komarek behielt als einziger Schütze die Nerven und sicherte Österreichs ersten Sieg über die Eidgenossen seit 1997 (2:0 in Nagano-Qualifikation). Den Fans war es recht, ein Großteil der knapp 14.000 Zuschauer skandierte auch lang nach Spielende noch „Immer wieder“.

Damit wurden auch Erinnerungen an die WM 2004 an gleicher Stelle wach. Damals war das Team mit einem imposanten 6:0-Sieg gegen Frankreich gestartet, es folgten ein 2:2 gegen Kanada, ein 4:4 gegen die Schweiz. Doch in der Zwischenrunde wollte in drei Spielen nichts mehr gelingen, die Begeisterung war der österreichischen Sättigung unterlegen. Ein Phänomen, das auch Ratushny, der erst seit dieser Saison in Österreich arbeitet und Salzburg zum Triumph in der Erste-Bank-Liga geführt hat, aufgefallen ist. Er arbeitete an der Mentalität der Spieler, er schraubte an ihrer Einstellung. Und er vermittelte ihnen Kampfgeist, den er selbst einst im Team Canada (Silber 1992 in Albertville) gelernt hatte.


Personal- und Charakterfrage. In der Gegenwart steht also ein neu motiviertes A-Team auf dem Eis. Es ist durchschnittlich um sieben Jahre jünger als etwa noch die Sotschi-Auswahl, vom Alkoholausflug oder von „Austros“, also eingebürgerten Kanadiern, ist keine Rede mehr. Der Einzige, der kanadische Wurzeln mitbringt, ist der Sohn von Puck-Legende Eddie Lebler, Brian. Auch er konnte seine Freude nicht verbergen. „Es ist verdammt großartig. Die Chemie im Team ist super. Wir spielen gemeinsam, halten zusammen.“ Je mehr Spieler dieses Detail geradezu auffällig betonten, umso mehr sollten sich nun auch die Teamverantwortlichen dieses Faktums annehmen. Warum wurde dieser Wohlfühlfaktor nicht schon in der Vergangenheit erreicht? Oder ist es auch eine Frage der Charaktere der Spieler, die in Prag dabei sind? Oder gar eine Personalfrage? Manch Superstar spielt ja noch in den NHL-Play-offs...

Unerlässlich ist trotz aller Euphorie, dass Ratushny sich mit den Seinen über Abspielfehler und Fehlpässe unterhält. Derer gab es sonder Zahl, es schien oftmals sogar grob fahrlässig und es war nur dem Unvermögen der Schweizer zu verdanken, dass (billige) Gegentreffer ausblieben. Gegen andere Gegner, etwa Schweden, hätte es schwerwiegende Folgen.

WM-Ergebnisse, Gruppe A:Schweiz– Österreich3:4 n. P. (1:0, 1:1, 1:2; 0:0, 0:1). Kanada – Lettland 6:1 (3:0, 2:0, 1:1), Tschechien – Schweden 5:6 n. P (1:2, 0:1, 4:2; 0:0; 0:1).

Gruppe B (Ostrau): USA – Finnland 5:1 (1:0, 2:1, 2:0), Russland – Norwegen 6:2 (4:0, 2:2, 0:0)., Slowakei – Dänemark 4:3 n. P. (0:0, 0:1, 3:2, 0:0; 1:0).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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