Radsport: Vom Edeldomestiken zum Kapitän

Zahlreiche Fans fanden sich zum Giro-Start in Sardinien ein und verabschiedeten die Profis auf die 3615 Kilometer lange Reise.
Zahlreiche Fans fanden sich zum Giro-Start in Sardinien ein und verabschiedeten die Profis auf die 3615 Kilometer lange Reise.APA/AFP/LUK BENIES
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Patrick Konrad, 25, startete als Teamleader und einer von fünf Österreichern in seinen ersten Giro d'Italia. Die 100. Auflage des Klassikers bietet „genug Chancen, sich zu beweisen“.

Olbia/Wien. Der Giro d'Italia ist alljährlich der erste Höhepunkt der Radsportsaison. Ist bei der Tour de France alles ein Stück größer, imposanter, aber auch stressiger, genießt die Italien-Rundfahrt allen voran durch die Begeisterungsfähigkeit der Tifosi einen besonderen Stellenwert bei den meisten Profis. „Der Radsport hat dort eine lange Tradition, so wie die Einheimischen mitfiebern, das macht den Giro speziell“, weiß Patrick Konrad, der heuer als Kapitän des deutschen Bora-Teams zum ersten Mal dabei ist, aus Erzählungen von Teamkollegen und Landsleuten.

Neben Konrad versuchen sich mit dessen Teamkollegen Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger sowie Georg Preidler (Sunweb) und Felix Großschartner (CCC) heuer fünf Österreicher auf den mit steilen Klassikern wie Ätna, Blockhaus, Mortirolo, Stelvio oder Pordoi gespickten 3615 Kilometern bis ins Ziel nach Mailand am 28. Mai. Der Auftakt der 100. Auflage erfolgte am Freitag in Algheri, Sardinien, mit einer Schweigeminute für den bei einem Trainingsunfall verstorbenen Michele Scarponi, am Samstag (ab 16 Uhr, live Eurosport) geht es von Olbia über 221 Kilometer weiter nach Tortoli.

Geduld und Ruhe bewahren

Konrad hat heuer mit Topresultaten, zuletzt Platz sieben bei der Baskenland-Rundfahrt, aufgezeigt und ist nach dem Ausfall des Tschechen Leopold König vom Edeldomestiken zum Kapitän aufgestiegen. Das sei Ehre und Ansporn zugleich, wie der 25-Jährige betont: „Das zeigt, dass meine Leistungen anerkannt werden. Dafür bin ich dankbar und werde 110 Prozent geben.“ Die neue Rolle eröffnet ihm mehr Freiheiten, Druck gebe es vonseiten des Rennstalls aber keinen. Der Fokus liegt auf einzelnen Etappen, aber auch das Gesamtklassement ist ein Thema. „Mit der Bergankunft auf dem Ätna werden wir schnell sehen, wo wir stehen. Wir haben uns mehrere Taktiken zurechtgelegt und entscheiden dann, welche es wird.“

Im vergangenen Jahr hat Konrad mit der Tour seine erste dreiwöchige Rundfahrt bestritten (65. Rang), die wichtigste Erkenntnis: „21 Tage sind extrem lang. Man darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, wenn es an einem Tag mal nicht läuft. Es gibt genug Chancen, sich zu beweisen“, erzählt er im Gespräch mit der „Presse“. Daher sei es wichtig, nicht gleich zu Beginn über das Limit zu gehen, „sonst ist die Gefahr groß, in der dritten Woche einzubrechen.“

Seine Stärken sieht der Sohn von Wolfgang Konrad, dem ehemaligen Leichtathleten und Organisator des Vienna-City-Marathons, auf kürzeren, anspruchsvollen Anstiegen in kleineren Ausreißergruppen. „Als sprintfester Bergfahrer kann ich mich behaupten, wenn die Spezialisten abgehängt sind.“ Lagerkoller fürchtet er in den kommenden Wochen keinen, die Stimmung innerhalb der Mannschaft sei sehr gut. „Und sonst setzt man sich eben einmal im Bus die Kopfhörer auf, um abzuschalten.“

Auf den Spuren der Helden

Das diesjährige Giro-Jubiläum steht ganz im Zeichen aktueller und vergangener Helden, bietet quasi eine Rundfahrt durch die Geschichte des italienischen Radsports. So geht es nach der „Grande Partenza“ über Sizilien, Heimat des zweimaligen Giro-Siegers und diesjährigen Favoriten Vincenzo Nibali, aufs Festland und dort etwa durch Ponte a Ema, die Geburtsstadt von Gino Bartali, einem der populärsten italienischen Profis. Gleich zwei Etappen sind dem legendären Fausto Coppi gewidmet, die 13. endete in Tortona, wo der fünfmalige Gesamtsieger 1960 im Alter von nur 40 Jahren einer Malariaerkrankung erlag. Das folgende Teilstück beginnt in Coppis Heimatort Castellania und endet mit der Bergankunft in Oropa, wo Marco Pantani, eine der schillerndsten Figuren im Sattel, 1999 einen seiner letzten großen Siege feierte.

Konrad ist zuversichtlich, dass die Zukunft rot-weiß-rote Einträge in die Geschichtsbücher bringen wird. „Wir sind auf einem guten Weg. Die internationalen Rennställe haben den österreichischen Fahrermarkt wieder im Visier“, sagt er und ist überzeugt: „Es kann etwas Großes kommen.“ Der Giro würde sich als passende Bühne anbieten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 5.5.2017)

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