Der Winter ihres Lebens

Melanie Meilinger im Flug über Zermatt.
Melanie Meilinger im Flug über Zermatt.(c) Meilinger/Privat
  • Drucken

Nicht der Skiverband, sondern Unterstützer aus dem Netz haben der Salzburger Buckelpistenartistin Melanie Meilinger den Traum von Olympia erfüllt.

Der legendäre Filmemacher der Skiszene Greg Stump hat der Buckelpiste mit „Fistful of Moguls“ einst ein Denkmal gesetzt. Mit nacktem Oberkörper, wallendem Haar oder Baseballcap rasen Olympiasieger wie Jonny Moseley und Edgar Grospiron im irrwitzigen Tempo über schier endlose Buckelpisten, zwischendurch Backflips und 720's, dazu Musik von Seal und The Art of Noise. 1998 war das, „old school“ eben – und bislang unerreicht.

Denn 20 Jahre später, vor den Olympischen Spielen in Pyeongchang, haben es die „Moguls“ alles andere als leicht. Es ist eine jener Sportarten, die bei Olympia kurz im Mittelpunkt stehen, als durchaus spektakulär empfunden werden und gleich wieder vom Radar verschwinden. Die große Skination Österreich stellt nicht einmal ein Buckelpistenteam, der ÖSV hat die Sparte vergangene Saison gestrichen.

„Das hat mich hart getroffen, was das Finanzielle betrifft“, erzählt Melanie Meilinger. Die 26-jährige Pongauerin ist Österreichs einziger Beitrag im Buckelpistenweltcup, sie ist auch die Einzige, die in dieser Disziplin im Februar bei den Spielen in Südkorea an den Start gehen wird. Und sie muss das auf eigene Rechnung tun. Reisen, Training, Material – 25.000 Euro kostet eine Saison. Zum Vergleich: Das ÖSV-Budget beträgt in etwa 40 Millionen Euro.

Meilinger hat das längst akzeptiert. Überhaupt schrumpft die Buckelpistenszene in Europa, es gibt nur wenige Toptrainer, kaum Strukturen. „Es fehlt Geld.“ So dominieren die Nordamerikaner, bei den Damen ist die Australierin Britteny Cox die Nummer eins. Meilingers bisher bestes Weltcupergebnis ist ein 15. Platz. Hat sie zuletzt noch mit den Deutschen trainiert, hat sie nun einen eigenen Coach, den Slowenen Ales Span, 43, ein erfahrener Mann in der Szene. Abgesehen von gelegentlichen Trainingsgästen sind die beiden als Duo im Weltcup unterwegs.

Als ehemalige Rennläuferin und Salzburger Kaderathletin kannte Meilinger auch die privilegierteren Seiten des heimischen Skisports, ehe sie 2011 in die Buckeln gewechselt ist. „Die akrobatischen Vorkenntnisse fehlen mir also“, erklärt sie. Bei den gut 30 Sekunden langen Läufen werden Technik (60 Prozent), Zeit (20) und Sprünge (20) bewertet, neben skifahrerischem Können und Schnelligkeit sind auch Saltos und Schrauben gefragt. Und Mut, ein Abflug in der Buckelpiste bei vollem Tempo kann böse enden. Gerade ging Meilinger ein Ski zu Bruch, das sind weitere 1000 Euro, die investiert werden müssen, wieder ein Rückschlag. „Ich jage meinem Kindheitstraum hinterher. Ich würde um keinen Preis aufgeben, so kurz vor dem Ziel.“

Das Ziel ist Olympia. 4000 Euro kostet ihre „Road to Pyeongchang“, auf der Crowdfundingplattform I believe in You, die schon so manchen Sportlertraum ermöglicht hat, kann sie jeder unterstützen. Das Prinzip lautet „Alles oder nichts“: Bekommt die Salzburgerin innerhalb von 80 Tagen diesen Betrag zusammen, gehört das Geld ihr, wenn nicht, erhalten es die Unterstützer zurück, und Meilinger geht leer aus.

Doch die 4000 Euro sind längst erreicht, über 30 Personen haben eingezahlt, die Initiative läuft noch bis 31. Dezember. Je nach Betrag gibt es als „Dankeschön“ Autogrammkarten, ein Mitbringsel aus Pyeongchang oder einen Buckelpistencrashkurs. Fazit: Eine schöne Sache, nur dass eine österreichische Olympia-Teilnehmerin darauf zurückgreifen muss, stimmt bedenklich. Meilinger würde das so nie sagen, schließlich hat sie des Geldes wegen auch schon nebenbei gearbeitet. Im Weltcup aber inzwischen undenkbar.


Ein Auffangbecken? Die nächsten Bewerbe steigen im Jänner nahe Calgary, Salt Lake City und Montreal. Noch weilt Meilinger bei Wettkämpfen in Thaiwoo, China. Aus Kostengründen wird sie gleich nach Nordamerika weiterfliegen. Erst Ende Jänner macht sie halt in Österreich, dann werden die Olympiaathleten eingekleidet. Auch Meilinger wird vom ÖOC ausgestattet – um am Ende doch wieder ohne Unterstützung dazustehen. Denn auf der Buckelpiste braucht es spezielle Wettkampfkleidung, alles andere wäre „nicht vorteilhaft“, erklärt sie.

In Pyeongchang gilt es dann, einen Traumlauf abzurufen. Kurz werden die Buckelpistenathleten wieder weltweit im Fernsehen zu sehen sein. Meilinger ist nach wie vor überzeugt von den Buckelpistenevents. „Du siehst vom Start bis zum Ziel alles, beim Dualbewerb geht es Mann gegen Mann, wir können bei Flutlicht fahren, wir haben immer super Musik.“ Für Skigebiete eine Chance, Vorreiter zu sein, meint sie. Mühlbach wird Ende März 2018 die österreichischen Meisterschaften austragen, der 1500-Einwohner-Ort am Fuße des Hochkönigs ist Meilingers Heimat, ringsherum warten die Buckelpisten: Fellersbach, Dachegg, Zachhof.

Überhaupt: Wieso nicht die Chance nutzen und die Sportart völlig neu aufstellen? Gute Rennläufer, denen der Durchbruch nicht gelingt, gebe es genug. „Viele hätten sicher Potenzial auf der Buckelpiste“, sagt Meilinger. Noch aber sind die Moguls ein blinder Fleck der stolzen Skination.

Steckbrief

Geboren am 27. Juni 1991, wohnt in Mühlbach am Hochkönig, Salzburg.

Rennsport
Ehemalige Kaderathletin des Salzburger Landesskiverbandes.

Buckel
Seit 2011 Buckelpistenfahrerin, bestes Weltcupergebnis ist ein 15.Platz (Februar 2017, Thaiwoo, China).

Ein Europacupsieg(Sankt Gallenkirch, Februar 2016).

Olympia
Meilinger ist Österreichs einziger Beitrag in ihrer Disziplin bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang.

ÖM
Österreichische Meisterschaften am 31. März/1. April in Mühlbach/Hochkönig.

www.creatina.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.