Sportfilm: Noch drei Sekunden, der letzte Wurf der Sowjets

„Sprung an die Spitze“ nimmt es mit der Wahrheit zwar nicht so genau, doch der Kinofilm über den Basketballtriumph gegen Amerika bei Olympia 1972 macht derzeit in Russland Furore. Die Botschaft: Dieses Land muss siegen.

Moskau. Es ist ein Stoff, wie geschaffen für ein Sportdrama in politisch aufgeladenen Zeiten: Während der Olympischen Spiele 1972 in München – inmitten der Hochzeit des Kalten Kriegs – besiegt die Basketball-Mannschaft der UdSSR das US-Team. 51:50, der Triumph gelang in den letzten drei Sekunden.

Dieser Coup der, aus russischer Sicht, Guten über die Bösen wurde nun als Film mit dem Titel „Sprung an die Spitze“ verfilmt. Emotions- und spannungsgeladenes Kino von Regisseur Anton Megerditschew. Produziert hat den Streifen Nikita Michalkow, der für seine staatstragenden Filme bekannt ist. Der am 28. Dezember angelaufene Streifen wird in allen großen Kinos gezeigt, in den staatlichen TV-Kanälen beworben, hat bereits fast eine halbe Million Zuseher gefunden und nach knapp zwei Wochen Laufzeit 1,244 Milliarden Rubel eingespielt, umgerechnet mehr als 18 Millionen Euro. Das macht ihn bereits jetzt zu einem der kommerziell erfolgreichsten russischen Filme. Und entfacht zusätzliche Sporteuphorie vor der nahenden Fußball-WM (ab Mitte Juni).

Keine Krankheit, keine Flucht

„Sprung an die Spitze“ präsentiert eine sympathische rote Mannschaft, die durch Sportsgeist einen nicht für möglich gehaltenen Sieg erringt – trotz der schlechten Ausrüstung und kurzen Vorbereitungszeit. Doch zugunsten des „russischen Hollywood“-Effekts wurden mehrere Fakten ziemlich verbogen, wie etwa die Witwen des Trainers Wladimir Kondraschin und des Spielers Alexander (Sascha) Below öffentlich kritisierten.

So wird etwa Below während des Matches als todkranker Mann gezeigt, obwohl seine Krankheit erst zwei Jahre später ausbrach. Und der aus der damaligen litauischen SSR stammende Spieler Modestas Paulauskas wird als typisch baltischer „Antisowjetschik“ porträtiert. Dass er sich in München in den Westen absetzen wollte, ist schlicht erfunden, ebenso, dass Paulauskas sich letztlich anders entscheidet. „Ich lasse die Meinigen nicht im Stich“, schwört er im Film. Im heutigen Russland, wo viel von der Gefahr des nationalen Verrats die Rede ist, macht ihn das zu einem Edelmann.

„Soviets never win“ ist ein Plakat, das jemand im Publikum während des Spiels hochhält. Die Zuschauer werden eines Besseren belehrt. Das rote Team siegt gegen die mit fiesen Tricks spielenden Amerikaner. Was allerdings nicht erwähnt, oder besser: getrost verschwiegen wird: Das sowjetische Team errang seinen (wegen zweier Wiederholungen umstrittenen) Sieg gegen amerikanische Collegespieler, da keine NBA-Profis nach München geschickt werden durften. Die US-Spieler nahmen ihre Silbermedaillen nie entgegen.

Ironie: Miracle on ice

Die Ironie der Geschichte: Acht Jahre später erlebten das Eishockeyteam, die als „Big Red Machine“ bekannte „Sbornaja“, ihr Waterloo. Die besten Cracks der Welt unterlagen einem mit Collegespielern, also Amateuren gespickten US-Team mit 3:4 und gewannen nur deshalb 1980 nicht die Goldmedaille.

Im Abspann des Films folgen TV-Szenen von russischen Sporterfolgen aus den letzten Jahrzehnten, untermalt von einer schweren, pathosgeladenen Stimme. Die Botschaft: Dieses (von Dopingskandalen schwer geplagte und erstmals auch von Olympia ausgeschlossene Land) will unbedingt siegen; und es wird siegen. Die große Frage ist nur, wie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2018)

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