Radsport: Die Gradmesser in den Bergen

Klassisches Tour- Bild: Die Fahrer quälen sich bergauf, die Fans feiern.
Klassisches Tour- Bild: Die Fahrer quälen sich bergauf, die Fans feiern.APA/AFP/MARCO BERTORELLO
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In den Vogesen wurden die ersten Karten der Titelkandidaten bei der Tour de France aufgedeckt. Geraint Thomas belehrte die Skeptiker, zu kämpfen hatte nicht nur Patrick Konrad.

Chalon-sur-Saône/Wien. Es war gewissermaßen ein Ausfahren nach dem ersten echten Härtetest am Tag zuvor. Die siebente Etappe der Tour de France von Belfort nach Chalon-sur-Saône war im Vergleich nicht nur flach (trotz dreier Bergwertungen niedriger Kategorien), sondern mit einer Länge von 230 km zugleich die längste der diesjährigen Rundfahrt. Dylan Groenewegen (NED) sprintete zum Tagessieg (6:02:44 Std.), der Italiener Giulio Ciccone im Gelben Trikot kam mit dem Peloton ins Ziel und blieb in der Gesamtwertung vorn.

Die Favoriten schonten sich nach dem Kräftemessen in den Vogesen. Der Anstieg nach La Planche des Belles Filles am Donnerstag war gewissermaßen die erste Prüfung – und brachte nicht allen das erhoffte Ergebnis. Hier ein Überblick über Form und Aussichten.


Geraint Thomas und Ineos. Die Form von Titelverteidiger Geraint Thomas war vor der Rundfahrt die große Unbekannte. Nur 26 Renntage hatte der Waliser im Vorfeld bestritten, sein Ineos-Team schließlich etwas überraschend auf die Doppelspitze mit Jungstar Egan Bernal gesetzt. Schon im Teamzeitfahren war Thomas stark, auf dem bis zu 24 Prozent steilen Schlussanstieg legte er mit seiner bislang besten Saisonleistung nach. „Ich hatte keine Zweifel zu beseitigen, aber vielleicht diejenigen, die mich infrage gestellt haben“, erklärte der 32-Jährige. Auf Spekulationen, was das für die folgenden zwei Wochen bis nach Paris bedeuten könnte, wollte sich Thomas nicht einlassen. „Chancen, Wetten und Favoritenrolle überlasse ich anderen und konzentriere mich lieber auf mich selbst.“

Bernal konnte die Attacke seines Teamkollegen am Ende nicht mitgehen, gerade bei solchen Passagen waren dem Leichtgewicht aus Kolumbien Vorteile eingeräumt worden. Ineos-Sportdirektor Nicolas Portal erkannte in Thomas' Stärke jedoch auch Positives für den 22-Jährigen: „Das hilft Egan, um den viel Wirbel gemacht wird.“ Der britische Rennstall befindet sich jedenfalls wieder in einer sehr guten Ausgangslage auf der Jagd nach dem fünften Tour-Sieg in Folge. „Wir bleiben am Boden. Aber das war mit Sicherheit eine große Motivation für das ganze Team genauso wie für Egan und Geraint“, betonte Portal.


Die übrigen Titelanwärter. Schon die erste Bergankunft brachte eine deutliche Selektion: Hinter den beiden Ausreißern konnten von den in der Gesamtwertung favorisierten Profis lediglich Lokalmatador Thibaut Pinot und der Kolumbianer Nairo Quintana das Tempo von Thomas mitgehen. Überrascht hat der deutsche Hoffnungsträger Emanuel Buchmann, der bei Bora gemeinsam mit Patrick Konrad als Kapitän firmiert. „Der Anstieg ist mir nicht gelegen, weil er so unrhythmisch ist. Aber wenn man gut drauf ist, läuft es“, sagt der 26-Jährige, der in dieser Form ein Kandidat für das Podest ist. „Die Hoffnung ist immer, dass es noch besser wird, wenn es läuft. Mit den Top Ten am Ende wäre ich aber zufrieden“, beschwichtigte Buchmann.

Wenig verheißungsvoll verlief die erste Kletterprüfung für die Italiener Vincenzo Nibali, der 2014 die Sky/Ineos-Siegesserie bei der Tour unterbrochen hatte, und Fabio Aru. Sie verzeichneten ebenso wie der Franzose Romain Bardet Rückstände, die am Ende schmerzen könnten.


Patrick Konrad. Im Vergleich mit Bora-Teamkollegen Buchmann fiel der Mödlinger im Schlussanstieg zurück. Seit dem Sturz am Dienstag spürt er seine angeschlagenen Rippen. Enrico Poitschke, sportlicher Leiter des deutschen Rennstalls, betonte jedoch, dass das Etappenergebnis nichts an der Doppelspitze ändert, Konrad im weiteren Tour-Verlauf aber mehr in die Offensive gehen wird.

Am Samstag (zwölf Uhr, live, Eurosport) geht es für die Fahrer mit knackigen Steigungen weiter nach St. Etienne. Die wahren Entscheidungen auf dem Weg zum Gesamtsieg folgen allerdings erst in der kommenden Woche in den Pyrenäen und später in den Alpen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2019)

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