Jede Kurve der Tour erzählt ihre eigene Geschichte

Die Euphorie rund um die Tour erklimmt heute wieder hohe Sphären: Es wartet die Fahrt hinauf zum Col du Tourmalet.
Die Euphorie rund um die Tour erklimmt heute wieder hohe Sphären: Es wartet die Fahrt hinauf zum Col du Tourmalet.(c) APA/AFP/JEFF PACHOUD (JEFF PACHOUD)
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Der Franzose Julian Alaphilippe trägt nicht nur weiterhin das Gelbe Trikot, er gewann auch das Einzelzeitfahren. Heute wartet die Auffahrt zum Col du Tourmalet, der 1910 nur durch eine Lüge Aufnahme in die Tour de France fand.

Pau. Auch die 13. Etappe der Tour brachte keine Veränderung im Gesamtklassement. Während der Belgier Wout van Aert nach einem schweren Sturz verletzt ausschied, verteidigte der Franzose Julian Alaphilippe das Gelbe Trikot. Er meisterte das 27,2 Kilometer lange Einzelzeitfahren um Pau in 35 Minuten am schnellsten und dürfte sich auch einige Reserven aufgehoben haben. Denn heute geht es zurück in die Bergwelt – und es wartet ein Klassiker mit einem der legendärsten Anstiege der Tour hinauf zum Col du Tourmalet.

Kein anderer Berg war so oft Teil der Rundfahrt wie dieser Riese in den Pyrenäen. 78 Mal führte der Weg zu ihm, heuer endet zum dritten Mal eine Etappe auf seinem Gipfel (2115 Meter). Sie soll sogar eine entscheidende Rolle bei der Suche nach dem Tour-Sieger spielen, wenngleich die Fahrt in die Alpen noch bevorsteht. Diese Ausfahrt ist nur 117 Kilometer lang, doch jede Kurve erzählt eine ganz andere, längere Geschichte.

1910 suchte Tourdirektor Henri Desgrange „etwas anderes“. Er träumte vom Ritt ins Hochgebirge, also schickte er Streckenchef Alphonse Steinès auf Spionage. Eine Passstraße sollte es sein, steil, kurvig, ungeheuer anspruchsvoll, aber sicher. Steinès fand den Tourmalet mit Schnee bedeckt vor und ließ sich von einem Hirten auf den Gipfel führen, verlor dort prompt die Orientierung und fiel in eine Schlucht. Um drei Uhr morgens fand ihn ein Suchtrupp, und Steinès telegrafierte nach Paris: „Tourmalet kein Problem. Straßen zufriedenstellend. Kein Schnee.“ Basierend auf dieser Lüge wurden die Pyrenäengipfel Aspin, Aubisque und Tourmalet Teil der Tour.

Fahrer Oscar Lapize schrie bei der ersten Auffahrt „Ihr seid Mörder!“ in Richtung der Verantwortlichen. Eugène Christophe brach drei Jahre später auf der Abfahrt die Vordergabel. Anderen wiederum ebnete der Berg die Vorfahrt: Eddy Merckx startete 1969 hier etwa sein Solo über 138 Kilometer nach Mourenx-Ville Nouvelle.

Doch der König des Tourmalet heißt Federico Bahamontes. Der Spanier, genannt Adler von Toledo, fuhr von 1954 bis 1964 viermal als Erster über den Gipfel. 1974 feierte der Franzose Jean-Pierre Danguillaume im Nebel den ersten Tourmalet-Sieg. Heuer führt der Weg zur Endstation über die längere, schwerere Westseite. Auf einer 19 km langen Landstraße sind 1410 Höhenmeter (7,4% Steigung) zu überwinden.

Warum stieg Dennis aus?

Nach der Aufgabe des australischen Zeitfahrweltmeisters Rohan Dennis bleiben die Umstände unklar. Er war auf der Etappe nach Bagneres-de-Bigorre nach 80 Kilometern ausgestiegen, sogar sein Team Bahrain-Merida reagierte verwundert. „Sicher ist, dass es nicht an seiner physischen Verfassung lag“, sagte Sportdirektor Gorazd Stangelj. „Ich bin enttäuscht!“

Laut TV-Berichten soll sich Dennis, 29, mit dem Team zerstritten haben. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2019)

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