Billard: Jasmin Ouschan mischt die Männer auf

BILLARD: JASMIN OUSCHAN
BILLARD: JASMIN OUSCHAN(c) APA (Roland Schlager)
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Als 20-Jährige führte Jasmin Ouschan die Weltrangliste an, in den USA ist sie ein Star, zu Hause genießt sie unerkannt den Weihnachtsurlaub.

An die acht Monate im Jahr reist Jasmin Ouschan um die Welt. Jetlags gehören für sie als Profi-Billardsportlerin zum Beruf. Auch den Medienrummel kennt Ouschan – allerdings nur im Ausland. Denn in den USA und Asien, dort wo Billard populär ist und die großen Turniere stattfinden, ist die 24-Jährige ein Star, eilt von Interview zu Interview. Auftritte beim Sportsender ESPN sind für Ouschan, die zum ersten Mal mit zehn Jahren vor TV-Kameras stand, längst Routine. In Las Vegas oder New York kennt man sie, von Direktübertragungen aus dem Fernsehen oder von Plakaten; Leute sprechen sie an.
Den Trubel lässt Ouschan zur Weihnachtszeit hinter sich. Denn da ist sie ausnahmsweise daheim in Klagenfurt. Auf ihrer „anonymen Insel“, wie sie sagt.

Anonym mit vier Goldenen?

Gar so anonym ist die Kärntnerin freilich auch in Österreich nicht mehr. Im April trug sich Ouschan, die 2008 als erste Dame in der Geschichte eine Medaille bei einer Herren-WM gewinnen konnte, ein weiteres Mal in die Rekordbücher des Pool-Billards ein. Bei der EM in Zagreb holte sie in allen Disziplinen – 8-Ball, 9-Ball, 10-Ball, 14/1 – Gold und distanzierte sich von der Konkurrenz. Im Oktober folgte das nächste Highlight: ihr erster Profi-Weltmeistertitel, und das ausgerechnet in Manila, der Billardmetropole schlechthin. s„Das war ein Titel, auf den ich schon lange hingearbeitet hatte. Davor war ich so oft knapp dran“, sagt die 24-Jährige. Seit 2001 waren sämtliche WM-Titel an Asiaten gegangen, die Österreicherin konnte diese Serie brechen. Nicht erst seit diesem Erfolg ist Ouschan in Asien ein bekanntes Gesicht. Außerdem „falle ich als blonde Europäerin dort natürlich auf wie ein bunter Hund“.
Der erste Fehler kann im Billard zugleich auch der letzte sein: Dann, wenn der Gegner eine Konzentrationslücke oder kleine Ungenauigkeit mit dem Abräumen des Tisches bestraft. Ob im Präzisionssport mit dem Queue in der Weltelite alles nur Kopfsache ist? „Da entscheiden Kleinigkeiten. Wer kann einen Fehler am besten wegstecken, wer mit negativen Spielverläufen besser umgehen. Kugeln versenken kann auf Top-Level jeder. Es kommt auf die Feinheiten an – und auf Konstanz“, sagt sie.
Schon früh hatte Ouschan die Gelegenheit, ihre Begabung auf dem grünen Filz unter Beweis zu stellen. Am 10. Jänner 1986 in Klagenfurt geboren, begann sie im Alter von drei Jahren mit dem Billard. Auf einer Kiste stehend, um den Tisch zu überblicken, versenkte sie schon damals eine Kugel nach der anderen. „Ich bin halt am Billardtisch gewickelt worden“, erklärt die 23-fache Europameisterin. Ihre Eltern besaßen einen Gasthof, der zugleich auch Billardklub war, noch dazu hatte sie in Vater Albin, immerhin siebenfacher Staatsmeister, ein Vorbild: „Dieser Sport hat mich von der ersten Sekunde an fasziniert.“ Was im eigenen Familienklub begonnen hatte, entwickelte sich mit Top-Spin zu einer rasanten Laufbahn. Bereits im Alter von 20 kletterte die Kärntnerin auf Rang eins der Weltrangliste.
Seit dieser Zeit hält sich Ouschan, die Tennis-Star Roger Federer als ihr Idol nennt, im Kreis der s-12;0Besten. Die Klagenfurterin hat damit die Sicherheitshürde übersprungen, kann von ihrem Sport gut leben. Anders als etwa im Fußball, sagt die 24-Jährige, müsse man dazu im Billard aber absolute Klasse sein: „Es ist im Billard ein großer Unterschied, ob du Erste oder Fünfzigste wirst.“ Die am besten dotierten Turniere finden in Asien statt. Dort werden teilweise Gesamtpreisgelder von 150.000 Euro ausgeschüttet.

Der Muskelkater danach

Für ihren Erfolg muss Ouschan hart trainieren – während der Saison fast täglich, eine Einheit am Vormittag, eine am Nachmittag. Eine alleine, eine mit Trainer Michael Neumann, der sie seit ihrem sechsten Lebensjahr begleitet und mit ihr um den Globus tourt. Insgesamt vier Stunden spult Ouschan am Billardtisch ab, dazu kommen zwei Stunden Radfahren, Laufen oder Krafttraining. Die gebeugte Haltung und die einseitige Belastung verlangen eine gezielte Stärkung der Rückenmuskulatur. „Beim Billard bist du in einer ständigen Anspannung, du musst dich ruhig halten. Nach meinem Sieg bei der Weltmeisterschaft, als die ganze Anspannung von mir abgefallen ist, habe ich ganz schön meine Muskeln gespürt.“ Die körperliche Fitness spiele im Billardsport prinzipiell eine große Rolle, sagt Ouschan. „Man muss die Leistung im Kopf abrufen, aber wenn der Körper auf Dauer nicht mitspielt, geht es nicht.“ Ein Turnier dauert mindestens eine Woche, bis zu sechs Stunden am Tag ist sie dann im Matcheinsatz.
Großen Wert legt Ouschan, die seit sieben Jahren Profi ist, deshalb auf die klare Trennung zwischen dem Sport Billard und dem Spiel. „Wenn Leute am Wochenende mit ihren Freunden Kugeln spielen gehen, ist es natürlich ein Spiel. Aber auf unserem Level ist es ein absoluter Sport. Wer das nicht glaubt, soll zu mir zu einer Trainingsstunde kommen, und ich werde zeigen, wie der Billardsport wirklich ausschaut.“ Österreich schleppe ein falsches Image des Billards mit: das Klischeebild des Spiels im verrauchten Gasthaus mit Alkohol.
Viele Österreicher könnten mit Profi-Billard zu wenig anfangen, sagt Ouschan. Es gebe kaum Turniere, und der Sport werde nicht im Fernsehen übertragen. Ganz anders sei es in den USA und Asien, wo Millionen von Sehern vor den Schirmen mitfieberten. Das Schattendasein des Profi-Billards in der Heimat stört Ouschan aber nicht: „Ein bisschen schade“ findet es die aktuelle Nummer eins der Profi-Rangliste aber, dass der Sport trotz ihrer Erfolge hierzulande völlig unbekannt sei. Noch. „Denn es bessert sich“, meint sie und genießt noch ein paar Tage Ruhe bei ihrer Familie in ihrer Heimat.

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