PS-Mission: Fährt Mercedes zum Mount Everest?

Toto Wolff
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Toto Wolff wollte vor dem Saisonstart in Melbourne weder Prognosen abliefern noch die Szene provozieren, doch die Daten der Tests in Jerez scheinen eindeutig: Nur Eigenfehler oder ein Fahrerstreit können Mercedes aufhalten.

Melbourne. Die Formel-1-Saison steht vor dem Start, in Melbourne herrscht dichtes Treiben im Albert Park – vor allem bei Mercedes herrscht Hochbetrieb. Die Silberpfeile, denen mit Toto Wolff und Niki Lauda weiterhin zwei Österreicher als Teamchef und Aufsichtsratvorsitzender vorstehen, haben ab Sonntag Großes vor. Es geht um einen F1-Meilenstein.

Der Rennstall könnte als zweites Team fünf Mal en suite sowohl den Titel bei den Fahrern als auch bei den Konstrukteuren abräumen. Zuvor war dieses Kunststück nur Ferrari gelungen, von 2000 bis 2004 mit Ausnahmekönner Michael Schumacher. 2014, 2015 und 2017 waren die Silberpfeile mit Lewis Hamilton erfolgreich, 2016 krönte sich Nico Rosberg zum Weltmeister. Und heuer? Die Antwort der meisten Teams: Hamilton, wer sonst?

Wolff, 46, übte sich aber im gewohnten Understatement. Zudem, vor dem ersten Grand Prix ließe sich weder etwas prognostizieren noch mit plakativen Sprüchen provozieren. Der Wiener ist aber bekanntlich nie um Antworten verlegen, er fand eine außergewöhnliche Beschreibung dieser Mission über 21 Rennen: Er verglich es mit der Besteigung des „Mount Everest. Aber jetzt befinden wir uns zunächst noch im Basislager . . .“

Nur drei Motoren, dafür mehr Rennen, das Harren der Konkurrenz auf Fehler, das Verlangen nach einer Wachablöse – zu viele Komponenten würden noch mitspielen. Nichts sei berechenbar, auch deshalb nicht, weil keiner weiß, wie Bottas oder Hamilton in die Saison starten werden. Halten die neuen Ultrasoftreifen, scheren Sebastian Vettel (Ferrari) oder Max Verstappen (RB Racing) beim Start aus? Wolff wollte sich lieber mit Fakten beschäftigen denn Spekulationen befeuern. Er nennt es „ein Maß Skepsis“.

Freie Fahrt der Silberpfeile?

Vor den Leistungen von Rekordweltmeister Schumacher mit sieben Titeln hat der gesamte Motorsport Respekt. Wer sich Schumacher, über dessen Gesundheitszustand es nach dem tragischen Skiunfall 2013 weiterhin keine Auskünfte gibt, und seinen Erfolgen nähert, dem widerfährt prompt Ehrfurcht. Er fährt im Schatten der Vergangenheit, da macht sich auch eine selten so intensiv gelebte Emotion in der sterilen Welt der Formel 1 bemerkbar. Der Rekord existiere, sagt Wolff also ehrfürchtig, „weil er einfach so unglaublich ist“. Diese Stufe zu erkennen, sie zu realisieren und zu meistern, das sei nun der entscheidende Tritt auf das Gaspedal. Dann hat es sich mit der Ehrfurcht erledigt.

Hauptaugenmerk bei den Testfahrten in Jerez sei es gewesen, Rückschlüsse über die Fahrdynamik zu gewinnen: das Sicherheitssystem Halo „lieb zu gewinnen“ und „Macken“, die jeder Neuwagen mit sich bringt, kennenzulernen. Das schnellste Auto, die meisten Pole-Positions, die meisten Siege, die Messlatte liegt extrem hoch. Der AMG F1 W09 sollte weniger eine Diva, so Wolff, sondern ein zuverlässiges „Arbeitstier“ sein. Die bei den Tests erhobenen Daten legen sehr nahe, dass es in diese Richtung gehen könnte.

Diese Aussage wollte aber partout nicht jeder hören, geschweige denn wahrnehmen. Denn liegt Wolff mit seiner Expertise richtig, stehen Saisonverlauf, Sieger und Champion schon vor dem ersten Grand Prix fest. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2018)

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