Schießen: In Guns We Trust

 Kim Rhode: Amerikas Vorbild bei Olympia und am Schießstand.
Kim Rhode: Amerikas Vorbild bei Olympia und am Schießstand. (c) REUTERS (LUCAS JACKSON)
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Kim Rhode ist US-Frontfrau am Olympia-Schießstand und könnte Sportgeschichte schreiben. Dass sich in Amerika aber die Geschichte der Waffengesetze ändern wird, hofft sie nicht.

Rio de Janeiro. Kim Rhode hat sich für ihre sechsten Spiele viel vorgenommen. Sie ist der Star der US-Schützen, das Aushängeschild einer Gesellschaft, die von einer Waffenlobby geprägt wird, die das freie Recht auf Waffen trotz steigender Gewalttaten und Schießereien im öffentlichen Leben nicht aufgeben will. Rhode, 37, aus Whittier, Kalifornien, und Ikone des Oak Tree Gun Club, könnte in Rio de Janeiro sogar mit ihrer Flinte bei der Tontaubenjagd Geschichte schreiben. Sie wäre die erste Sommersportlerin, die sechs Mal en suite eine Medaille gewinnt. Ähnliches schaffte im Winter nur der Südtiroler Rodler Armin Zöggeler.

Rhode gewann in London Gold, dafür habe sie in der Vorbereitung täglich und jahrelang 800 bis 1000 Schuss verbraucht. Dass ein Schuss mit ca. 0,75 Cent zu Buche schlägt, lässt hochrechnen wie viel Geld in diesem von Arabern und US-Lobbyisten so heiß geliebten Sport im Spiel ist.

Dass Schusswaffen in Amerika ein Problem sind, glaubt Rhode, Mutter eines Sohnes, nicht. Sie stehe seit ihrem 16. Lebensjahr am Olympiaschießstand; „ich will daran auch nichts ändern, für niemanden, ich liebe meinen Sport.“ Dass ihre Eltern sie als Zehnjährige zum Schießen mitgenommen haben, zeigt ihre Haltung; nun plant sie Gleiches für ihren Sohn.

Die Waffe, mein Instrument

Wenn irgendwo in Amerika wieder eine Schießerei oder ein Massaker stattgefunden hat, wartet sie auf den nächsten Anruf von Journalisten oder Waffengegnern. Es sind ohnehin immer die gleichen Fragen, San Bernadino, Miami, Aurora, auch die Antworten bleiben gleich. Selbst hier in Rio, sagte sie der „NY Times“, werde täglich geschossen. Nein, in Amerika habe man kein Problem mit Waffen. „Die Tatsache, dass ihr Instrument ein Gewehr ist und kein Tennis- oder Golfschläger, macht doch keinen Unterschied“, warf sich Kevin Neuendorf, ein Sprecher des US-Verbandes, für sie plump, aber plakativ in die mediale Schusslinie.

Kim Rhode beteuert stets, wie sehr sie „shootings“ verletzen, wie sehr sie mit den Menschen leide, und für diejenigen, denen Leid widerfahren ist, wolle sie heute besonders gut schießen. „Es ist herzzerreißend“, sagt sie und verdeutlicht ihre Haltung mit „Ängsten“, die sie selbst unaufhörlich plagten: etwa höhere Preise für Munition oder strengere „gun restrictions“.

Natürlich, die Industrie ist nötig, um diesen Sport betreiben zu können. Dass Rhode nicht für Joghurt, Zahnpasta oder Rasierschaum werben kann oder will, ist angesichts ihrer Tätigkeit nicht ganz unverständlich, als Testimonial für Waffenfirmen soll sie aber gut über die Runden kommen. Sie ist für den freien Waffenzugang, dafür ist sie auch so beliebt und womöglich der Grund dafür, warum einige der US-Touristen, die nach Rio gekommen sind, tatsächlich mit Smith-&-Wesson-Kapperln durch die Straßen laufen. Erneut zeichnet sich Neuendorf durch sein fragwürdiges PR-Geschick aus, er sagt: „Es ist beschämend, dass eine Persönlichkeit wie Kim Rhode nicht bei NBC promotet wird.“

Es mag weit hergeholt klingen, zwischen Sportschützen und Verbrechern besteht ein Unterschied. Beim Skeet oder Trap sind es keine Luftpistolen oder -gewehre, sondern Flinten. Beim Jagdparcours sind Flinten in den Kalibern 12, 16, 20, 28 und 410 erlaubt. Die Munition? Sportschrot. Dass Olympiaschützen in Amerika deshalb Morddrohungen erhalten, ist ein verdammt hoher Preis für diese Freiheit am Schießstand.

Rhodes Familie drängt nicht zu stark ins Rampenlicht. Sie hat eine tiefe Zuneigung zu Waffen, die mit Amerikas Geschichte sogar verwurzelt ist. Ein entfernter Verwandter soll einst an der Seite von George Armstrong Custer im Sezessionskrieg (1861–1865) gekämpft haben. Auch Rhodes Ehemann liebt Waffen. „Es ist eine Frage der Ehre“, sagt er und spielt damit direkt auf den zweiten Zusatzartikel der US-Verfassung an, der samt der Bill of Rights Besitz und Tragen von Waffen erlaubt. Es ist ein Zankapfel seit 1791, schon so lang existiert in Amerika diese Diskussion. Es wird sich nicht ändern. Warum? „In guns we trust . . .“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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