Das Schauspiel auf dem Podium

Mann im Mittelpunkt: Hirscher weckt auch in Pyeongchang großes Interesse.
Mann im Mittelpunkt: Hirscher weckt auch in Pyeongchang großes Interesse.APA/HANS KLAUS TECHT
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Wenn Marcel Hirscher bei einer Pressekonferenz auftaucht, werden Teamkollegen umgehend zu Nebendarstellern. Der Salzburger inszeniert keine PR-Show, steht aber immer im Mittelpunkt.

Das Österreich-Haus in Pyeongchang, gelegen an einer Bundesstraße, mitten im südkoreanischen Nirgendwo. Das ÖOC bittet anlässlich des Herren-Riesentorlaufs am Sonntag (2.15 Uhr/5.45 Uhr, live in ORF eins) zur Pressekonferenz, das ist zwei Tage vor einem Bewerb so üblich. Vertreten wird Österreich bei diesem Rennen von Manuel Feller, Stefan Brennsteiner, Christian Hirschbühl und Marcel Hirscher. Die vier Herren nehmen am Podium Platz, flankiert werden sie von Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher. Nach ein paar einleitenden Worten des Tirolers sprechen die Athleten in ein, zwei kurzen Sätzen über ihre Erwartungen, erst dann beginnt das eigentliche Programm.

Ohne den Herren Brennsteiner, Hirschbühl und Feller zu nahe treten zu wollen, aber es wäre kein Journalist weniger anwesend, hätte einer aus diesem Trio gefehlt. Hirscher genießt einen Ausnahmestatus, teamintern ebenso wie medial. Um im Mittelpunkt einer Pressekonferenz zu stehen, muss der 28-Jährige nicht erst in der Mitte Platz nehmen. Er sitzt rechtsaußen. Die Fragerunde ist eröffnet, und es überrascht kein bisschen, dass die Fragen eins bis fünf allesamt an Hirscher gerichtet sind. Vom Salzburger möchte man alles Mögliche wissen. Wie das Training verlaufen ist, ob er seinen Olympiasieg in der Kombination schon realisiert habe und was diese Goldmedaille denn nun für Auswirkungen auf seine Vorstellungen in Riesentorlauf und Slalom haben könnte.

Zum Trainieren ist es zu spät

Hirscher hat Übungen wie diese schon Hunderte Male absolviert, er ist in den vergangenen Jahren zu einem Medienprofi gereift. Spaß macht dem Atomic-Piloten dieses Frage-Antwort-Spiel aber ganz gewiss nicht, zumal er immer wieder die gleichen Fragen gestellt bekommt. Dahingehend unterscheidet er sich zum Beispiel gewaltig von Lindsey Vonn, die US-Amerikanerin verwandelt jede Pressekonferenz im Handumdrehen in eine raffiniert durchdachte PR-Show.

Hirscher könnte auf dieses Medienspektakel liebend gern verzichten, zur gleichen Zeit ließen sich zum Beispiel in der Kraftkammer Gewichte schupfen oder am Material tüfteln. Um in Pyeongchang noch die Skipisten unsicher zu machen, ist es jetzt schon zu spät. Um 18.06 ist die Sonne untergegangen.

Hirscher beantwortet artig alle Fragen, mit einer Ausnahme, weil er darauf keine Antwort hat. Wo sich Dauerrivale Henrik Kristoffersen aufgehalten und seine Trainingsläufe abgespult hat, während er sich in der ersten Olympia-Woche fast ausschließlich mit der Abfahrt in Jeongseon beschäftigte, weiß der sechsfache Gesamtweltcupsieger nicht. Wenn es der Moment erlaubt, dann schaut Hirscher gedankenverloren in den Raum. Wie er dabei aussieht, ist ihm nicht egal. Die Haare hat er mit Gel zu einem schicken Linksscheitel geformt. Die Frisur sitzt, auch an Tag zwölf in Pyeongchang.

Wenn die Musi spielt

Würden die 23. Olympischen Winterspiele heute zu Ende gehen, wäre Hirscher kein unglücklicher Mensch. Mit dem Sieg in der Kombination hat der Annaberger einen bis dahin noch unerfüllten Lebenstraum realisiert. Den „Megaschaden“, ohne Gold die Heimreise anzutreten, hat er vorzeitig abgewendet. „Wenn ich nach Hause komme, spielt die Blasmusik. Alles super“, sagte Hirscher und löste Gelächter unter einigen Journalisten aus. Aus einem unbeschreiblich großen Druck ist vor seinen beiden Paradedisziplinen ein „mittelmäßiger Druck“ geworden, damit sollte es sich etwas angenehmer Ski fahren lassen. Wobei angenehm, Ski fahren und Hirscher nicht wirklich zusammenpassen.

Selbstverständlich hat der zehnfache Saisonsieger den Anspruch, auch hier in Pyeongchang jedes Rennen zu gewinnen. Etwas Sorgen bereiten ihm die gewöhnungsbedürftigen, „außerordentlich aggressiven“ Schneeverhältnisse. „Ich weiß noch nicht genau, wo, wie, was funktioniert.“ Kurzum: Es wird noch am richtigen Set-up getüftelt. Wie man Hirscher und sein Team kennt, wird auch diese Herausforderung gemeistert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

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