French Open: Der Siegeszug eines Nobodys

Marco Cecchinato spielt das Tennis seines Lebens.
Marco Cecchinato spielt das Tennis seines Lebens.(c) REUTERS (BENOIT TESSIER)
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Marco Cecchinato hat in Paris einen derartigen Lauf hingelegt, dass ihn auch sein Halbfinalgegner Dominic Thiem nicht mehr schrecken kann. Über seine dunkle Vergangenheit schweigt sich der Sizilianer bisher aus.

Paris/Wien. So viele neue Gesichter wie noch nie tummeln sich in den letzten Runden der Grand Slams. Die French Open sind das vierte Turnier in Folge, in dem zumindest ein männlicher Profi sein Halbfinal-Debüt auf Major-Ebene gibt. In Paris heißt der Überraschungsmann Marco Cecchinato, 25-jähriger Sizilianer, Nummer 72 der Welt. Am Freitag fordert er im Halbfinale Dominic Thiem.

Cecchinato hat sich durch ein beachtliches Tableau gekämpft: Fünf Sätze zum Auftakt gegen Copil, dann souverän gegen Lucky Loser Trungelliti, danach Viersatzsiege über Carreno Busta (ATP 11), Goffin (9) und Djokovic (22). „Er wirkte nicht beeindruckt vom großen Stadion oder dem großen Match“, erklärte Djokovic.

Dabei hatte Cecchinato vor Paris auf Major-Ebene noch keine Partie gewonnen. Im Vorjahr war er bei den French Open in der Qualifikation gescheitert. Und ein Jahr zuvor befand er sich überhaupt auf dem Abstellgleis. Der italienische Verband hatte den Profi, damals 143. im Ranking, für 18 Monate wegen einer Matchabsprache suspendiert. Die Sperre wurde auf zwölf Monate reduziert, später vom Olympischen Komitee Italiens aufgehoben. In Paris wollte Cecchinato dazu keine Auskunft geben, vielleicht wenn das Turnier zu Ende ist, erklärte er. Jetzt will er sich auf diesen Moment konzentrieren. „Ich glaube, mein Leben hat sich verändert. Also nach Roland Garros brauche ich etwas Pause, um das alles zu realisieren.“

Schon jetzt ist er der Paris-Halbfinalist mit dem schlechtesten Ranking seit Andrei Medvedev 1999, damals Nummer 100. Rund 45 Plätze wird Cecchinato nun gutmachen und in die Top 30 vorstoßen, in Wimbledon wird er wohl gesetzt sein. Der Mann aus Palermo – der Vater ist Chef eines Spitals – ist außerdem der erste Italiener in einem Major-Halbfinale seit Corrado Barazzutti 1978 in Paris.

Viele fühlen sich daher an den Brasilianer Gustavo Kuerten erinnert, der 1997 als Weltranglisten-66. in Paris triumphierte. Dazu müsste Cecchinato erst die Halbfinal-Hürde Dominic Thiem nehmen. Trotz solider Schläge (einhändige Rückhand) und schneller Beine fehlt ein Paradeschlag, der die Nummer acht der Welt in Bedrängnis bringen könnte. Besiegt hat er Thiem aber schon, 2013 bei einem Future in Italien (6:3, 6:4). „Ich habe ihn schon einmal geschlagen, warum nicht?“, hat Cecchinato in Paris gefragt. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2018)

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