Skispringen: Die Brautschau auf dem Trainerturm

Stefan Horngacher gibt noch Polens Springern das Freizeichen. Der Tiroler wird mit Saisonende ziemlich sicher Deutschlands neuer Cheftrainer.
Stefan Horngacher gibt noch Polens Springern das Freizeichen. Der Tiroler wird mit Saisonende ziemlich sicher Deutschlands neuer Cheftrainer.(c) JFK/Expa/picturedesk.com
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Normalerweise eröffnen sich neue Karrierechancen erst mit WM-Medaillen, Stefan Horngachers Wechsel vom polnischen zum deutschen Cheftrainer ist aber absehbar. Werner Schuster kehrt heim – er will wieder in Stams unterrichten.

Österreich hat eine sehr große Skisprungtradition. In Stams thront eine der besten Schulen, die für diesen Sport Ausbildung anbietet. Im Skiverband und zig Tiroler, Salzburger und Steirer Skiklubs werken Trainerspezialisten mit Kindern und Talenten. Es gibt das beste Know-how, Material, und die Siegerliste ist, trotz der bislang durchwachsenen WM-Saison, endlos lang. Seit Jahren gilt rot-weiß-rotes Personal im Springerzirkus als heiß begehrt; ob Trainer oder Servicemann.

Bei der Nordischen WM in Seefeld, die am Mittwoch (18 Uhr, live, ORF eins) eröffnet wird, läuft nicht nur der Kampf um Gold, sondern vor allem eine Brautschau auf dem Trainerturm. Zentraler Ausgangspunkt ist der Abschied des Kleinwalsertalers Werner Schuster, der den deutschen Skiverband nach einem Jahrzehnt mit Saisonende verlassen wird. Schuster, 49, will der Familie zuliebe nicht mehr so viele Strapazen auf sich nehmen, die vielen Reisen nerven. Der Satz seines zwölfjährigen Sohnes – „der Vater ist im Winter halt im Fernsehen“ – war Auslöser eines anstehenden Trainer-Roulettes.

Der Lockruf aus Stams

Schuster wird „Presse“-Informationen zufolge keinesfalls beim ÖSV anheuern und damit in Konkurrenz zu Andreas Felder treten. Es wäre, aus aktueller Sicht, ja keine Veränderung, eher ein Rückschritt. Nein, der Vorarlberger soll nach Stams zurückkehren. Für Österreichs Ausbildungshochburg wäre es der Jackpot. Sein Platz ist „reserviert“, der Skisprunglehrer, der unter anderem einst Gregor Schlierenzauer auf die Sprünge half, ließ sich bei seinem Wechsel in die Schweiz 2007 karenzieren.

Während also am Samstag der erste WM-Titel von der Großschanze in Innsbruck vergeben wird, läuft hinter dem Schanzentisch längst ein ganz anderer Poker. Denn Stefan Horngacher, seit 2016 Cheftrainer in Polen, hat definitiv Interesse an diesem Posten angemeldet. Sehr zum Argwohn des polnischen Sportdirektors, Adam Małysz („Mitten in der Saison ist das nicht fair“), aber zur Freude seiner Familie. Sie lebt im Schwarzwald, in Titisee-Neustadt, nahe der Schanze. Für Horngacher, 49, dessen Vertrag im Sommer ohnehin ausläuft, wäre es quasi ein Telemark im eigenen Wohnzimmer. Ein Bewerbungsschreiben könnte er besser nicht formulieren, er sagt: „Für einen so tollen Skiverband zu arbeiten ist natürlich eine Ehre. Aber man muss abwarten, was passiert.“

Horngacher war bereits Co-Trainer beim DSV, sogar Schusters Assistent. Er arbeitete auch als Privattrainer von Martin Schmitt (er lehnte eine Anfrage des DSV ab), der Tiroler kennt dort jede noch so kleine Schanze.

Medaillen zum Abschied

In Seefeld wollte er all diese Fragen jedoch weder hören noch beantworten. Da hätten dann doch Sport und Medaillen Vorrang. Polens „goldene Generation“ um Kamil Stoch, Dawid Kubacki und Piotr ?yła strebt nach einem weiteren WM-Titel. Es wäre Horngachers Abschiedsgeschenk.

Während sich Schuster zu all dem äußerst bedeckt hält, seinem Landsmann aber als der „logischen Option“ die besten Karten in die Hand spielte, bezog Dieter Thoma, Olympiasieger und Weltmeister von Ramsau 1999, ganz offen Position für den Wörgler. „Für mich wäre es überraschend, würde er es nicht werden“, sagte Thoma. „Für mich ist er die beste Möglichkeit, die wir derzeit haben.“

Und die anderen österreichischen Trainer? Alexander Stöckls Vertrag im Team Norwegen läuft bis 2022. Selbst der ÖSV-Versuch im Vorjahr, ihn als Nordischen Direktor zu engagieren, scheiterte an dieser Hürde. Und Andreas Felder? Gewinnen die ÖSV-Adler Medaillen, stellt sich diese Frage nicht. Ist die WM aber ein Reinfall, kennt jeder bereits die Antwort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2019)

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