Das Duell der selbst ernannten Guten

EU-Kommissarin Margrethe Vestager bestraft Google – mit einem iPhone von Apple in der Hand.
EU-Kommissarin Margrethe Vestager bestraft Google – mit einem iPhone von Apple in der Hand.(c) REUTERS (Francois Lenoir)
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Die EU würde Google gern auf Augenhöhe begegnen, kann dem US-Giganten aber nur hinterherhinken. Nächstes Mal könnte man die Strafe zumindest in Euro berechnen statt in Dollar.

Wien/Brüssel. Für Konsumenten ist sie schon super, diese EU. Das Roaming ist abgeschafft, die Fluggäste werden für Verspätungen entschädigt – und sogar die Internetriesen aus Amerika nimmt sich Brüssel zur Brust. Einst Microsoft, heute Google. Da tut sich was.

Für Konsumenten ist es schon super, dieses Google. Dokumente schreiben, Fotos speichern, E-Mails verwalten: alles gratis. Die Suchmaschine? Gratis. Sogar das Betriebssystem für vier Fünftel aller Smartphones dieser Welt ist gratis. Da tut sich was.

Es ist das Duell zweier Weltverbesserer nach Eigendefinition, das wir gerade sehen, rund um die Milliardenstrafe der EU für Google. Beide sehen sich in der Rolle des „Guten“. Die EU inszeniert sich gern als Supermacht mit „Soft Power“. Google hat den Anspruch, Gutes zu tun, schon im einstigen Firmenslogan: „Don't be evil.“ Beide Seiten sehen sich aufseiten der Konsumenten. Und beide tun so, als wäre die andere Seite auf dem kompletten Holzweg.

Die EU will die Dominanz von Google wenn nicht brechen, dann zumindest begrenzen – damit die europäischen Konsumenten dem Onlinegiganten aus Kalifornien nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Mit solchen Maßnahmen hat man in Brüssel schon Übung. Statt den Aufbau einer eigenen, europäischen Online-Infrastruktur voranzutreiben, versucht man, den US-Giganten Steine in den Weg zu legen. Vor Google hieß der Gegner Microsoft.

Google hat gewonnen

Das spült – nach langem Rechtsstreit – Geld in die Taschen, ärgert Donald Trump und soll ultimativ die Handlungsfähigkeit der EU unter Beweis stellen. Für die Union gibt es dabei kaum Risiko. Google wird sich nicht beleidigt aus Europa zurückziehen. Und Kommissarin Margrethe Vestager kann sich als Hüterin einer fairen Wettbewerbsordnung inszenieren. Zielführend ist es aber nicht.

Google will viel Marktmacht, um Geld zu machen. Das ist die Aufgabe einer börsenotierten Firma. Daran gibt es nichts auszusetzen. Natürlich hat Vestager recht, dass Google seine marktbeherrschende Stellung ausnutzt, um noch mächtiger zu werden. Ja, Google zwingt die Hersteller zur Implementierung der Google-Apps (YouTube, Maps), wenn sie das Betriebssystem Android samt prall gefülltem Playstore verwenden wollen. Aber nicht Google, sondern die Realität zwingt die Hersteller, Android zu nutzen.

Es gibt außer Apples iOS nun einmal keine dritte Plattform, die für App-Entwickler interessant ist. Und ein Betriebssystem ist nur so gut wie die Apps, die dort laufen. Microsoft, Blackberry und andere haben versucht, mit eigener Software Fuß zu fassen – sie sind gescheitert. Google hat gewonnen. Aber das iPhone gibt es ja schon noch. Es ist in Europa weitaus häufiger anzutreffen als etwa Apple-Computer zu der Zeit, in der sich die EU mit Microsoft wegen der Dominanz von Windows angelegt hat. Kommissarin Vestager nützt selbst ein iPhone. Das gibt Googles Chef die Gelegenheit zum Gegenschlag: „Die Entscheidung scheint zu ignorieren, dass Android-Telefone mit iOS-Geräten konkurrieren“, so Sundar Pichai.

Und er erinnert die EU daran, dass unter den 1300 Herstellern von Android-Geräten auch viele in EU-Ländern sitzen. Tatsächlich wäre etwa das späte Comeback von Nokia als Marke ohne die Google-Software niemals möglich gewesen. Überhaupt ist die Frage zu stellen, wie eine Welt ohne Android aussehen würde. Hätte Apple totale Marktdominanz? Würde Samsung sein eigenes Betriebssystem bringen, wie man es ohnehin gern hätte? Gäbe es einen Anbieter aus Europa, der mitmischt? Hätten Europäische Konsumenten tatsächlich „die Vorteile eines effizienten Wettbewerbs in der wichtigen mobilen Arena“ genießen können, wie es Vestager sagt?

Kein großen Effekte

Oder sehen wir genau diesen Wettbewerb – und Europa hat wieder einmal geschlafen? Asiatische Produzenten sind dank Android zu globalen Playern geworden. Warum ist das keinem der Hersteller aus Europa gelungen? Die EU-Entscheidung wird daran jetzt nichts ändern, sie wird die Zukunft des mobilen Marktes kaum beeinflussen. Die EU kann Google nur hinterherhinken. Die Strafe wird die fixe Verankerung von Google-Apps in neuen Smartphones ein bisschen lockern. Mehr nicht.

Ein Vorschlag noch: Die nächste Strafe sollte Brüssel nicht zuerst in Dollar (fünf Milliarden) festlegen und dann in Euro (4,34 Mrd.) umrechnen. So eine Praxis zeugt wahrlich nicht von großem europäischen Selbstvertrauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2018)

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