Digitales Vermummungsverbot: Das Ende des Versteckspiels im Netz

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Die Regierung schickt am Mittwoch, ein Gesetz in die Begutachtung, das der Anonymität im Netz zumindest teilweise einen Riegel vorschieben soll.

Hasspostings, Morddrohungen, Lügenverbreitung und Mobbing geschieht täglich im Internet. Strafen mussten die Verfasser derartiger Beiträge bislang nicht befürchten. Das will die Bundesregierung nun ändern. Am Mittwoch soll das Gesetz zum „Digitalen Vermummungsverbot“ in die Begutachtung gehen.

Das Internet soll nicht länger als rechtsfreier Raum verstanden werden. Die Idee hinter dem Ganzen sei, dass jemand, der Unrecht begehe, nicht mehr die Möglichkeit haben dürfe, sich in der Anonymität des Internet zu verstecken, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bereits im November bei einem Gipfel gegen Hass im Netz. Künftig müssen sich Nutzer vorab registrieren. Wie die Seitenbetreiber die Identifikationspflicht technisch umsetzen, bleibt ihnen überlassen. Die Betreiber müssen aber Sorge dafür tragen, dass die angegebenen Daten stimmen.

So kann zwar ein Nutzer weiterhin mit einem Pseudonym posten. Bevor das aber möglich ist, muss dieser seinen Vor- und Nachnamen sowie seine Adresse angeben. Ob diese Daten stimmen, müssen die Seitenbetreiber feststellen.

Diesen stehen dann mehrere technische Möglichkeiten zur Verfügung: Einerseits kann eine Zwei-Faktor-Authentifizierung implementiert werden. Dabei muss sich der Nutzer nach Einrichten eines Kontos über sein Handy identifizieren. In den meisten Fällen wird eine SMS an die hinterlegte Handynummer geschickt und diese muss zur Bestätigung auf der Anmeldeseite angegeben werden. Andererseits sei auch eine Anmeldung über die Bürgerkarte oder das Hochladen eines Ausweises möglich. Das wird den Anbietern freigestellt.

Diese Seitenbetreiber sind jedenfalls dazu verpflichtet, darauf zu achten, dass die implementierten Systeme auch funktionieren. Hier können im Falle der Nichteinhaltung Strafen in Höhe von bis zu 500.000 Euro verhängt werden. Damit bekommen Strafverfolgungsbehörden und auch Privatpersonen ein effizientes Mittel zur Hand, um auch online sicher zu sein, meint die Sprecherin von Medienminister Gernot Blümel im Gespräch mit der „Presse“.

Keine Klarnamenpflicht

Dennoch bleibt die Anonymität im Netz erhalten. Denn unter einem selbstgewählten Pseudonym könne weiter gepostet werden. Vordergründig ändert sich für Nutzer wenig. Erst bei strafbarem Verhalten können Behörden, Gerichte oder auch Privatpersonen (wenn sie es nachweisen können) die Herausgabe der Informationen verlangen.
Es verhalte sich wie bei Kfz-Kennzeichen. Im Straßenverkehr sei die Nummerntafel nicht einer Person eindeutig zuordenbar. Bei Verstößen könne jedoch der Fahrzeughalter ausgeforscht und belangt werden. Damit verzichtet die Regierung auf die im Vorfeld kolportierte Klarnamenpflicht. Diese wurde von Experten aufgrund ihrer Ineffektivität kritisiert. Die in anderen Ländern eingeführte Klarnamenpflicht hat nichts an der Zahl der Hasspostings geändert.

Der große Feind aus Übersee

Das Gesetz sieht aber auch vor, dass Unternehmen, die nicht in Österreich ansässig sind, einen Zustellbevollmächtigten bestellen. Dabei handelt es sich um eine Person, an die sich Gerichte, Behörden und Privatpersonen wenden können. Damit soll verhindert werden, dass Anfragen auf Herausgabe von Nutzerinformationen versanden.
Bislang haben US-Unternehmen wie Facebook, Twitter und Google nur schwerfällig oder gar nicht auf derartige Anfragen reagiert. Das soll sich damit ändern. Mit der Einrichtung eines Zustellbevollmächtigten nimmt sich die Regierung ein Beispiel an Deutschland. Mit der Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes im Oktober 2017 wurde ein ähnlicher Passus eingefügt. Dabei haben die Bevollmächtigten 48 Stunden Zeit, um auf Anfragen und Beschwerden zu reagieren. Das Bundesamt für Justiz überprüft dies und verhängt bei Verstößen Bußgelder.

Axel Anderl, Partner und Leiter des IT/IP-Teams bei Dorda Rechtsanwälte, begrüßt den Vorstoß der Regierung: „An Userdaten zu kommen wurde zunehmend schwieriger, auch bei einem Straftatbestand.“ Teilweise würden hier zu enge Fristen bestehen, während dem wiederum lange Vorlaufzeiten gegenüberstehen. Mit den bestehenden Gesetzen sei es schwierig, zu seinem Recht zu kommen. Das Gesetz könne aber nur als erster Schritt gesehen werden. Vielmehr wäre es notwendig, eine internationale Durchsetzbarkeit zu erreichen. In diesem Fall wäre aber Brüssel gefordert.

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