Klimawandel/Psychologie: Spielen wir um die Welt!

(c) AP (Jan Bauer)
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Während als Nächste die Königspinguine bedroht sind, zeigt die Spieltheorie, wie wir sie und uns retten können: durch Kooperation.

Wie kann man die Welt vor der globalen Erwärmung retten? „Man könnte z. B. bestimmte Autos mit Aufklebern wie diesem kennzeichnen: ,Umweltwarnung: Dieser Wagen ist sehr ineffizient; seine Emissionen tragen zu Lungenkrebs bei und zu gefährlichem Klimawandel‘." Der Vorschlag ist ernst gemeint, er stammt von Anna Dreber (Stockholm) und Martin Novak, einem österreichischen Mathematiker in Harvard. Und sieht man einmal davon ab, dass der Pranger eher selten zur Verbesserung der Menschheit beigetragen hat, dann hat der Vorschlag auch Hintergründe, zwei.

Zum einen droht der Klimawandel, jede Woche wird die Liste der potenziellen Opfer länger. Diese Woche sind es die Königspinguine. Von ihnen gibt es etwa zwei Millionen Brutpaare, sie leben am Rand der Antarktis. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen der Vorhersagen der globalen Erwärmung stehen sie unter starkem Aussterberisiko", berichtet eine Gruppe um Yvon LeMaho (Straßburg). Die Forscher haben über acht Jahre hinweg den Effekt einer Erwärmung - durch des Klimaphänomen El Niño - beobachtet: „Ein Anstieg um 0,26 Grad senkte das Überleben der ausgewachsenen Tiere um neun Prozent", es liegt am knapp werdenden Futter. Bei den Jungen änderte sich nichts, auch bei den Erwachsenen kam der Effekt mit zweijähriger Verspätung, die Forscher führen das auf die Lebensweise dieser Pinguine zurück (Pnas, 11. 2.).

Bereitschaft zum Verzicht . . .

Die Pinguine sind nicht die Einzigen, letzte Woche warnten Forscher vor einem mit der Wärme anschwellenden Heer gefräßiger Insekten, nächste Woche kommt die nächste böse Überraschung. Der Klimawandel droht also, das ist das eine. Das andere ist, dass wir ihn mit technischen Maßnahmen alleine nicht abwehren werden können, es braucht auch eine Änderung unseres Lebensstils. Dem steht unser Erbe entgegen: In der Natur herrscht Konkurrenz (und vorderhand keine Kooperation), das teilt sie mit der Ökonomie. Aber auch das: Kooperation setzt sich durch, wenn sie für alle Beteiligten von Vorteil ist. So haben sich Einzeller zusammengetan, so haben sich soziale Verbände gegründet.

Aber Kooperation allein - reziproke: Ich helfe dir, weil oder damit du mir hilfst - hilft noch nichts, es braucht zudem Altruismus: Man muss etwas investieren, ohne einen direkten Gewinn einstreichen zu können. Den werden vielmehr alle haben, und zwar: die Künftigen. Es geht um ein Gemeingut, das keinen ökonomischen Wert hat, jeder kann die Luft verschmutzen - mit Treibhausgasen -, gratis und so viel er will.

Das ist der klassische Fall einer „tragedy of the commons", Gemeingüter werden von allen genützt und kosten keinen etwas. Warum sollte also jemand in so ein Gut investieren? Weil er sich (a) doch Sorgen macht, und weil es (b) doch etwas zu gewinnen gibt: guten Ruf, Reputation, eine Währung, die uns wichtiger ist als Geld.

Wir handeln anders, wenn wir uns beobachtet wissen und wenn wir wissen - oder dafür sorgen -, dass sich das Beobachtete herumspricht. Dann werden wir kooperativ, dann werden wir altruistisch (vielleicht sonst auch, das ist nicht ganz klar), wir spekulieren darauf, dass eine gute Tat sich umwegig auszahlt: Dass der C uns einmal helfen wird, weil der B ihm erzählt hat, er habe gesehen, wie wir ganz uneigennützig dem A geholfen haben.

Diese Währung lässt sich nutzen, viele Popstars spüren es, wenn sie auf Weltrettungstour gehen und die TV-Kameras im Gefolge nicht vernachlässigen. Und die Wissenschaft weiß es, vor allem Evolutionsbiologe Manfred Milinski (Plön) zeigt es immer wieder: Er bittet Studenten ins Labor und lässt sie spielen. Etwa dieses Spiel, es geht in Sechsergrupppen über zehn Runden, jeder Teilnehmer bekommt 40 Euro. Davon kann er in jeder Runde etwas abgeben oder auch nichts - null, zwei, vier Euro -, das Abgegebene kommt in einen Topf, der kommt dem Klimaschutz zugute. Aber nur dann, wenn am Ende 120 Euro im Topf sind, wenn also jeder pro Runde zwei Euro abgibt. Das tut nicht jeder, es gibt Trittbrettfahrer (null Euro), für sie springen Altruisten ein (vier), irgendwann haben auch sie genug.

. . . zahlt sich aus: Mit Reputation

Im jüngsten dieser Experimente wird die Hälfte aller Gruppen zu Klimarettern, wenn sie weiß, dass (a) das Risiko des Klimawandels hoch ist und (b) die Chance der Rettung 90 Prozent beträgt. Liegt die Chance nur bei 50 Prozent, retten noch zehn Prozent, bei zehn Prozent keine mehr (auch dort kommt Geld in den Topf, man weiß nicht, warum, es kann nur an echtem Altruismus liegen). Die Bereitschaft hängt also einerseits an der exakten Definition von Risiko und Chancen, sie hängt andererseits an der Reputation, die die Spieler erwerben: Ist einer als großzügig bekannt, will der andere es auch werden.

Damit zurück zu Dreber/Novak: Sie schlagen vor, das Spiel überall zu spielen („in Schulen, zu Hause, auf Betriebstagungen"), um Kooperation einzuüben. Dann soll Ernst gemacht werden, Klimahelden sollen öffentlich wahrnehmbar ausgezeichnet werden, Sünder den Pranger auf ihrem Auto spazieren fahren. Milinski geht nicht so weit - der schlechte Ruf kommt in seinen Experimenten nie vor, immer nur der gute -, er setzt auf die Macht des Blicks: „Beobachter sollten sozialen Partnern nach besten Kräften das Gefühl des Beobachtetwerdens vermitteln, damit das altruistische Verhalten das ,normale‘ wird" (Science, 317, S. 464).

Reputation: Macht des Blicks

Kooperation liegt uns nicht in der Natur - die setzt auf Eigennutz -, aber sie kommt auf zwei Wegen. Der eine spekuliert auf Gegenleistung („direkt reziprok").

Altruismus setzt („indirekt reziprok") darauf, dass gute Taten guten Ruf bringen, der gut gelohnt wird. Entscheidend ist, dass wir bei der guten Tat beobachtet werden und dass sie sich herumspricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2008)

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