Budget

Wie wir den Staat umbauen: Die Budgetrede, die der Finanzminister auch heute nicht gehalten hat

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Themenbild: Plenarsaal in der Hofburg(c) Michael Gruber / picturedesk.com
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Effizientere Förderung, Einsparungen durch Kompetenzentflechtung mit den Ländern, Umbau des Steuersystems.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Sie haben in den vergangenen Jahren wahrscheinlich selbst erfahren, dass Österreich zunehmend Probleme hat, sein zweifellos sehr hohes Wohlstandsniveau zu halten. Das hat seinen Grund in der Reformuntätigkeit vergangener Regierungen, die die Entwicklung des Landes zunehmend blockiert hat. Wir haben uns deshalb entschlossen, unser erstes Budget gemeinsam mit umfassenden Reformen als Hebel für die Erneuerung des Landes zu konstruieren. Ich werde Ihnen heute einen Haushalt präsentieren, der keine unmittelbaren Geschenke enthält, aber sicherstellt, dass wir von der Kriech- wieder auf die Überholspur kommen. Hier sind die Grundzüge:


• Staatsziel ist ein ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus. Damit dieses oftmals gemachte Versprechen diesmal auch hält, werden wir die Verpflichtung dazu samt Sanktionen in der Verfassung verankern.


• Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir in den kommenden Monaten alle Staatsausgaben auf den Prüfstand stellen und tabulos, ohne Rücksicht auf die jeweilige Klientel, auf ihre Zweckmäßigkeit durchforsten. Das betrifft in einem ersten Schritt primär das direkte Förderwesen und die Unzahl an steuerlichen Ausnahmebestimmungen. Unser Ziel ist es, in diesem Bereich, unter anderem durch die Beseitigung von Mehrfachstrukturen, in einem ersten Schritt 20 Prozent einzusparen,was auf Bundesebene rund zwei Milliarden Euro entspricht.


• Da das in bestehenden Staatsstrukturen nicht möglich ist, werden wir parallel dazu die unter anderem von unserem Reformminister in seiner früheren Tätigkeit längst ausgearbeitete Föderalismus- und Verwaltungsreform umsetzen. Deren Ziel ist es, die Kompetenzstrukturen zwischen Bund und Ländern komplett zu entflechten und den Ländern mehr finanzielle Autonomie (aber auch mehr Verantwortung) etwa durch regionale Steuerhoheit zu geben. Wobei alle Sektoren von überregionaler Bedeutung – also etwa Schulen und Gesundheit – vollständig in die Bundeskompetenz wandern. Für diese Staatsreform werden wir umgehend eine Verfassungsmehrheit suchen.


• Genau evaluieren werden wir auch das Sozialsystem. Unser Ziel ist es, ein dauerhaft finanzierbares Sozialsystem auf die Beine zu stellen, wobei auch hier im Sinne des Zero-Budgeting jede Einzelmaßnahme ohne Rücksicht auf vorhandene „Besitzstände“ auf Sinnhaftigkeit abgeklopft wird. Vordringlich wird die Struktur des Sozialversicherungswesens gestrafft und werden Maßnahmen zur mittelfristigen Finanzierung des Pensionssystems ergriffen.


• Neben der Durchforstung der unübersichtlich gewordenen steuerlichen Ausnahmebestimmungen, die kurzfristig realisiert werden kann, werden wir noch in dieser Legislaturperiode das Steuersystem vollständig umbauen und fit für das digitale Zeitalter machen. Das heißt, wir werden die Steuerlast stark von menschlicher Arbeit auf Ressourcenverbrauch sowie Konsum und andere Wertschöpfungselemente umstellen. Der Umbau hat unter der Prämisse zu erfolgen, dass die Steuer- und Abgabenquote, wie schon angekündigt, um mindestens vier Prozentpunkte in die Nähe des OECD-Durchschnittswertes sinkt.

Ausgabenproblem im Griff

Das alles wird es uns ermöglichen, das Ausgabenproblem in den Griff zu bekommen. Zusätzlich werden wir innerhalb des dann sanierten Budgets, das derzeit zu stark vergangenheitsbezogen und zu wenig zukunftsfördernd wirkt, starke Umschichtungen vornehmen. Wir werden die Dotierung des Bereichs Bildung – parallel zu einer organisatorischen Neuausrichtung dieses Sektors – auf allen Stufen sehr stark erhöhen. Mit dem Ziel, im Pflichtschulbereich im internationalen Vergleich wieder unter die ersten zehn zu kommen und auf Universitätsebene wieder im längst aus den Augen verlorenen Spitzenfeld mitzuspielen.

Starke Anstrengungen werden wir auch im Bereich digitale Infrastruktur unternehmen, wobei die Dotierung des Ausbaus dieser Infrastruktur mindestens vervierfacht wird. Die Mittel dazu werden aus der Umschichtung der Gelder aus jenen Projekten genommen, die bisher aus Länderegoismus gebaut worden sind.

So, jetzt zu den konkreten Zahlen . . .


Wie man unschwer erkennt, ist diese Rede leider reine Fiktion. Sie ist nicht gehalten worden, und solches wird auch in den nächsten Jahren nicht passieren. Wir werden zwar mitten in der Hochkonjunktur ein Budget mit schönen Zahlen und auch dem einen oder anderen Gimmick für die Wählerschaft bekommen. Aber strukturell bleibt alles beim Alten.

AUF EINEN BLICK

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.comBudget. Wir werden zwar ein Budget mit dem Anspruch auf Ausgeglichenheit bekommen, aber das ist zu wenig: Dieser Staat muss dringend reformiert werden. Dazu gehören nicht nur Budgetumschichtungen, sondern auch strukturelle Änderungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2018)

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