Schafft Argentinien die Wende?

Der Internationale Währungsfonds ist in Argentinien nicht gerade beliebt. Doch sein Geld wird dringend benötigt.
Der Internationale Währungsfonds ist in Argentinien nicht gerade beliebt. Doch sein Geld wird dringend benötigt. (c) APA/AFP/EITAN ABRAMOVICH
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Eine hohe Inflationsrate, eine Menge Auslandsschulden und eine Währung, die gegenüber dem Dollar dramatisch verloren hat. Diese Woche kann entscheidend werden für das Land.

Wien/Buenos Aires. Es ist nicht allzu lang her, da war Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), noch voll des Lobes für Argentinien und seine bald drei Jahre alte Regierung. „Die von den Behörden betriebene Politik versucht, lang bestehende Verwundbarkeiten anzugehen, für Nachhaltigkeit bei den Schulden zu sorgen, die Inflation zu reduzieren sowie Wachstum und neue Jobs zu fördern, um so die Armut zu senken“, sagte sie.

Doch trotz aller Reformbemühungen von Präsident Mauricio Macri taumelt das Land gerade in die nächste veritable Wirtschaftskrise.

Schon im Frühjahr wurde Argentinien beim IWF vorstellig, der schließlich eine Hilfszusage von bis zu 50 Milliarden Dollar gewährte. 15 Mrd. Dollar erhielt die Regierung relativ bald, für eine vorzeitige Auszahlung des Restbetrages suchte sie nun überraschend in der Vorwoche an.

Am Montag will Finanzminister Nicolás Dujovne Schritte zur Eindämmung der Krise präsentieren. Am Dienstag sind dann Gespräche mit IWF-Chefin Lagarde geplant.

Unter den Argentiniern genießt der Internationale Währungsfonds keinen besonders guten Ruf. Im Zuge der verheerenden Wirtschaftskrise um die Jahrtausendwende warfen viele dem Fonds vor, das Land zu unliebsamen Einschnitten zu zwingen. 2001 erfolgte schließlich die Staatspleite. Als Macri sein aktuelles Hilfegesuch einreichte, hagelte es denn auch Proteste.

Der Präsident sieht sich wegen eines eklatanten Währungsverfalls aber zu diesem Schritt gezwungen. Der argentinische Peso hat seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar rund 50 Prozent an Wert verloren. Bei vielen Anlegern wächst deshalb die Furcht vor Zahlungsschwierigkeiten des Landes.

Dabei rissen Investoren dem Staat 2017 noch eine hundertjährige Anleihe – mit Rückzahlung 2117 – aus den Händen. Zwar sammelte das Finanzministerium damals mit 2,8 Mrd. Dollar eine vergleichsweise geringe Summe ein, doch war die Schuldverschreibung gleich mehrfach überzeichnet. Eine erneute Staatspleite in den kommenden hundert Jahren schloss man aber auch schon im Vorjahr nicht aus.

Leitzinsen von 60 Prozent

Nach Einschätzung des IWF drehte die wirtschaftliche Lage Argentiniens erst vor einigen Monaten. Eine anhaltende Trockenperiode ließ die Agrarproduktion und in weiterer Folge auch die Exporterlöse einbrechen. Die Energiepreise zogen an. Dies ging mit ungünstigeren Finanzierungsbedingungen für manche Staaten einher.

Die Zinsen in den USA steigen seit geraumer Zeit, gleichzeitig verteuert sich der Dollar. Für ein Land mit Auslandsschulden im Ausmaß von rund 200 Milliarden Dollar kann sich das zu einem handfesten Problem auswachsen. Wertet eine Fremdwährung auf, braucht ein Staat mehr Kapital für die Schuldentilgung. Auch anderen Schwellenländern macht diese ungünstige Konstellation derzeit zu schaffen.

Abgesehen davon, sind auch die anderen Kennzahlen des südamerikanischen Landes nicht gerade berauschend. Das Budgetdefizit liegt bei rund fünf Prozent. Noch im Mai hat die OECD dem Land ein Wirtschaftswachstum von rund zwei Prozent prognostiziert, nun muss es froh sein, nicht in eine Rezession zu rutschen. Hinzu kommt eine Inflationsrate, die in diesem Jahr 30 Prozent erreichen dürfte.

In der Vorwoche hob die Zentralbank deshalb kurzerhand den Leitzinssatz von 45 auf 60 Prozent an. Schon mehrfach hat die Notenbank in diesem Jahr eingegriffen. Als der Peso im Mai 20 Prozent an Wert verlor, intervenierte die Zentralbank mit Stützungskäufen. Dabei verlor sie rund ein Fünftel ihrer Devisenreserven. Auch in der Vorwoche war sie erneut auf dem Markt aktiv.

Die mächtige Ratingagentur S&P drohte Argentinien vergangenen Freitag jedenfalls bereits mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit – und setzte es auf die Beobachtungsliste. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2018)

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