Pirelli kehrt an die Börse zurück

ChemChina trennt sich wieder von einem Teil von Pirelli.
ChemChina trennt sich wieder von einem Teil von Pirelli.(c) APA/AFP/JOHN THYS
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Ab Mittwoch ist der italienische Traditionskonzern nach zwei Jahren Pause wieder an der Börse gelistet. Das IPO spült 2,275 Mrd. Euro in die Kassen von Mehrheitseigentümer ChemChina.

Mailand/Wien. Der Kalender sorgt alljährlich für Aufsehen und wird unter Liebhabern extravaganter erotischer Fotografie wie ein Juwel gehandelt. Da verblasst daneben glatt das Produkt, mit dem der italienische Konzern Pirelli groß und reich geworden ist: Reifen. Am Mittwoch kehrt das Schwergewicht der italienische Industrie an die Börse zurück. Gleichgültig, wie sich der Kurs der um 6,5 Euro ausgegebenen Aktie entwickeln wird, ist schon jetzt klar: Pirelli sorgt mit einem Erlös von 2,275 Mrd. Euro für eines der größten, wenn nicht das größte IPO (Initial Public Offering) in Europa in diesem Jahr.

Der Erlös des Verkaufs von 350 Millionen Aktien an 33.124 Anleger, darunter 205 institutionelle, könnte aber noch höher sein. Pirelli musste sich bei der Preisbildung mit dem nahe am unteren Ende der Spanne von 6,3 bis 8,3 Euro liegenden Kurs begnügen. Als Grund dafür nannten Insider die hohe Verschuldung und die komplexe Führungsstruktur. Allerdings ist Pirelli mit einer operativen Rendite von 20 Prozent profitabler als die Konkurrenten Michelin und Conti, die finnische Nokian ist aber besser.

Letztlich waren die Aktien 2,35 Mal überzeichnet. Der Konzern, der vor allem durch seine Reifen für Formel-1-Rennwagen auch bei Sportfans bekannt ist, kommt auf eine Bewertung von 6,5 Mrd. Euro.
Nach dem Börsengang werden sich rund 40 Prozent der Pirelli-Aktien im Streubesitz befinden. Der chinesische Chemieriese ChemChina, der vor zwei Jahren eingestiegen ist, hält indirekt 65 Prozent an Pirelli, will diesen Anteil jetzt aber auf etwas weniger als 50 Prozent zurückfahren. In Händen von Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera sowie den italienischen Großbanken UniCredit und Intesa sind insgesamt 22 Prozent, die mit der Börsenrückkehr auf zehn bis zwölf Prozent abschmelzen.

Für den chinesischen Chemieriesen ChemChina ist das IPO ein Verlustgeschäft. Denn die Chinesen haben 2015 bei ihrem Einstieg 7,4 Mrd. Euro auf den Tisch geblättert.

Oberes Preissegment

Die Chinesen haben im Zuge ihrer Beteiligung Pirelli auch von der Börse genommen. 93 Jahre lang war der 1872 gegründete Reifenhersteller an der Börse notiert. „Wir sind ein Startup-Unternehmen mit 145 Jahren, das an die Börse geht“, scherzte Tronchetti Provera im Hinblick auf das Comeback.

Unter der Führung ChemChinas wurde das Geschäft mit Industrie- und Lkw-Reifen abgespalten. Die Sparte wurde in „Prometeon“ umbenannt und in eine in Shanghai notierte Gesellschaft namens Aeolus eingebracht. Jetzt will sich der weltweit fünftgrößte Reifenhersteller auf Reifen im höheren Segment konzentrieren, wo die Konkurrenz geringer und die Rentabilität höher ist.

Pirellis italienische Geschäftsführung und der Firmensitz in Mailand können künftig nur mit Zustimmung von 90 Prozent der Aktionäre geändert werden. Im Hinblick auf den Börsengang verkleinerte Pirelli seinen Aufsichtsrat von 15 auf acht Mitglieder. Tronchetti Provera versicherte, dass Pirelli ab 2019 eine Dividende ausschütten werde. Er selber werde 2020 die Konzernführung verlassen.

1872 von Giovanni Battista Pirelli als Gummiwarenfabrik gegründet, die telegrafische Leitungen, Unterseekabel und Fahrradreifen produzierte, startete das Unternehmen 1901 mit Autoreifen. Spektakulär war zwischen 1990 und 1993 der Versuch, den deutschen Konkurrenten Conti zu übernehmen. Conti vereitelte die feindliche Übernahme mit Hilfe einer Gruppe um die Deutsche Bank, die eine Sperrminorität erwarb. (eid/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2017)

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