Kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit hob Fed-Chefin Janet Yellen gestern den Leitzins um einen Viertelpunkt an. In Europa lässt ein solcher Schritt Richtung Normalität noch auf sich warten.
Die US-Notenbank Fed hat die Leitzinsen erneut erhöht und will die Zügel nächstes Jahr weiter straffen. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld steigt um einen Viertelpunkt auf die neue Spanne von 1,25 bis 1,50 Prozent, wie die Fed am Mittwoch mitteilte. Die Entscheidung fiel mit sieben zu zwei Stimmen: Die beiden Führungsmitglieder Neel Kashkari und Charles Evans konnten sich mit ihrem Plädoyer für gleichbleibende Zinsen nicht durchsetzen. 2018 und 2019 sollen jeweils drei weitere Schritte folgen, wie die Fed in ihrem Zinsausblick signalisiert. Sie reagiert damit auf den anhaltenden Aufschwung in den USA, wo praktisch Vollbeschäftigung herrscht.
Nächster Zinsschritt im März?
Der Zinsschritt dürfte die letzte große Entscheidung von Fed-Chefin Janet Yellen gewesen sein, die Anfang Februar abtritt. Ihr designierter Nachfolger, der langjährige Fed-Direktor Jerome Powell, gilt Investoren als Garant der Stabilität, auch weil er unter Yellens Führung jede große Entscheidung mitgetragen hat - so auch die Zinserhöhungen im März und Juni 2017.
An den Finanzmärkten wird nun für März mit dem nächsten Zinsschritt nach oben gerechnet. Allerdings sind viele Händler nicht davon überzeugt, dass danach noch zwei weitere im kommenden Jahr hinzukommen werden. Manche tippen eher auf insgesamt nur zwei Erhöhungen 2018.
Während die Börsen in Europa mit leichten Abschlägen geschlossen hatten, zogen die US-Börsen nach der Fed-Mitteilung um 20 Uhr MEZ noch etwas an. Dazu trug freilich auch die Einigung zwischen US-Senat und Repräsentantenhaus auf eine Steuerreform bei (siehe Seite 16). Die Entscheidung über den Zinsschritt war von den Börsen ja eingepreist gewesen.
„Die heutigen Beschlüsse der Fed werden die Finanzmärkte nicht vom Hocker reißen“, meint auch Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank: „Nach der erwarteten Zinsanhebung bleibt allerdings die Frage, wie viele im nächsten Jahr folgen. Noch sind viele davon überzeugt, dass es zwei werden - das Risiko, dass die Fed 2018 vier Mal an der Zinsschraube dreht, ist jedoch hoch.“ Und zwar aufgrund des Anstiegs vieler Stimmungsindikatoren, wie Lang sagt.
US-Wirtschaft brummt
Die US-Währungshüter erwarten jedenfalls, dass die amerikanische Wirtschaft nächstes Jahr um 2,5 Prozent wachsen dürfte. Im September hatten sie lediglich ein Plus von 2,1 Prozent veranschlagt. Sie dürften nun bei ihren Prognosen auch die von US-Präsident Donald Trump angestrebte Steuerreform mit ins Kalkül genommen haben. Trumps erklärtes Ziel ist es, die Wachstumsrate der US-Wirtschaft mittelfristig auf mindestens drei Prozent hochzutreiben. 2016 lag das Plus bei 1,5 Prozent.
Mit dem Zinsschritt begibt sich die Federal Reserve langsam aber sicher in Richtung Normalität. Während der Finanzkrise und in den Jahren danach hatte die Notenbank mit extrem billigem Geld versucht, die Wirtschaft in Gang zu halten. Ähnlich auch die Europäische Zentralbank, die allerdings mit der Normalisierung ihrer Zinsen längst nicht so weit ist und weiter billiges Geld in die Finanzsysteme pumpt. Die Bank of England (BoE) hat zwar kürzlich nachgebessert, aber damit auch nur die Lockerung in Folge der Brexit-Entscheidung ausgeglichen. Dass die BoE den Schlüsselzinssatz am Donnerstag wieder antastet, wird von Börsianern zwar nicht erwartet. Angesichts der steigenden Inflation aber könne sie baldige Erhöhungen signalisieren. (ag./est)
Janet Yellen verabschiede sich mit einem Weihnachtsgeschenk an die US-amerikanischen Sparer, kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der OP Bank, die Anhebung. Die solide wirtschaftliche Entwicklung und eine Inflationsrate von über zwei Prozent rechtfertigten den Zinsschritt. Risiken für einen weiteren Anstieg der Teuerung bestehen zwar, allerdings sei keine Gefahr in Verzug. Bastian Hepperle vom deutschen Bankhaus Lampe, meinte, die US-Notenbank halte am graduellen Zinserhöhungskurs fest. Die Bilanzschrumpfung bleibe auf Autopilot gestellt.
(APA)