Börsianer halten Handelskrieg "nicht für das wahrscheinlichste Szenario"

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Die US-Bilanzsaison nimmt Fahrt auf. Die Analysten warten nach den Syrien-Luftschlägen keine Turbulenzen. Nur im Falle neuer westlicher Angriffe dürfte es zu einem Kursrutsch an den Börsen kommen.

Trotz der politischen Krisen der vergangenen Wochen blicken Börsianer optimistischer nach vorn. "Die Investoren haben die Hoffnung, dass die Berichtssaison die Aufmerksamkeit ein wenig auf die fundamentalen Marktdaten zurückverlagern kann", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Das Thema Handelskrieg rückt daher in den Hintergrund.

"Jenseits des Säbelrasselns gibt es Verhandlungen", sagte Gill Lakin, Chef-Anlegerin des Vermögensverwalters Brompton. "Vielleicht eröffnet sich dadurch die eine oder andere Kaufgelegenheit." Auch Benjamin Melman, Anleihechef des Vermögensverwalters Edmond de Rothschild, äußerte sich verhalten optimistisch. "Auch wenn das ein reales Risiko darstellt, glauben wir weiterhin nicht, dass ein Handelskrieg das wahrscheinlichste Szenario ist."

US-Sanktionen lasten auf Rubel

"Die Sorgenliste bleibt aber lang", warnte Shane Oliver, Chef-Analyst des Vermögensverwalters AMP Capital. Sie reiche von einer möglichen direkten militärischen Konfrontation zwischen den USA und Russland bis zu den anhaltenden Ermittlungen wegen einer möglichen Manipulation der US-Präsidentenwahl. In der Nacht zum Samstag attackierten die USA, Frankreich und Großbritannien Ziele in Syrien mit Luftangriffen.

Hingegen belasten Ankündigungen neuer US-Sanktionen für Russland die russische Währung. Der Dollar verteuerte sich am Montag um ein halbes Prozent auf 62,29 Rubel. Der Euro zog ebenfalls um 0,5 Prozent auf 76,76 Rubel an. "Diese Sanktionen strahlen weit über die eigentlich sanktionierten Unternehmen hinaus aus und belasten auch Russlands Währung", sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Ein weiterer Anstieg des Dollars auf 70 Rubel sei nicht auszuschließen.

Öl und Gold konnten anziehen

Anlagestratege Salman Ahmed von der Privatbank Lombard Odier in London sagte, die Luftschläge dürften keine Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten auslösen. Zu erwarten seien vielmehr moderate Kursreaktionen, da die Angriffe begrenzt gewesen und keine weiteren absehbar seien. "Den Berichten zufolge wurde sorgsam darauf geachtet, dass keine russischen Ziele getroffen wurden", sagte Ahmed. "Das ist ein gutes Zeichen und sollte den Markt ermutigen."

Börsianer sagten voraus, dass zu Wochenbeginn die Preise für Gold und Öl etwas anziehen werden. Am Montag jedoch sind die Ölpreise gesunken. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Auslieferung im Juni kostete in der Früh 71,83 US-Dollar. Das waren 75 Cent weniger als am Freitag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Lieferung im Mai fiel um 60 Cent auf 66,79 Dollar.

Unternehmensergebnisse stehen an

Größere Einbußen an den Aktien- und Anleihenmärkten seien nicht zu erwarten. Nur im Falle neuer westlicher Angriffe dürfte es zu einem Kursrutsch an den Börsen kommen, sagte Frank Benzimra von Societe Generale. An den meisten Aktienmärkten in der Golfregion legten die Kurse am Sonntag zu, so etwa in Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Dubai. Am Freitag waren die Anleger wegen Syrien auf der Hut geblieben, der DAX hatte 0,2 Prozent höher bei 12.442 Punkten geschlossen.

Vor allem US-Firmen öffnen in der neuen Woche ihre Bücher. Hierzu gehören Bank of America, Netflix (beide Montag), Goldman Sachs (Dienstag) und Morgan Stanley (Mittwoch). Ferner gibt General Electric (GE) (Freitag) Geschäftszahlen bekannt. Wegen der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen US-Steuersenkungen spekulieren Anleger auf positive Überraschungen. In Deutschland legen unter anderem die skandalerschütterte "Poco"-Mutter Steinhoff (Montag) und die Software AG (Donnerstag) Zwischenergebnisse vor.

Konjunkturbericht der Fed steht an

Bei den Konjunkturdaten richtet sich die Aufmerksamkeit der Anleger vor allem auf die US-Einzelhandelsumsätze am Montag. Der private Konsum gilt als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft. Analysten rechnen für März mit einem Plus von 0,3 Prozent nach einem Minus von 0,1 Prozent im vorangegangenen Monat. "Auch die mittelfristigen Aussichten für den privaten Verbrauch sind gut", betonte Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner. "Der Arbeitsmarkt ist unverändert robust, und die allmählich anziehenden Löhne und die Entlastungen durch die Steuerreform werden das verfügbare Einkommen weiter anschieben."

Weitere Hinweise auf Zeitpunkt und Tempo der erwarteten Zinserhöhungen erhoffen sich Anleger vom Konjunkturbericht der Notenbank (Fed) am Mittwoch. Tags zuvor stehen die Daten zur Industrieproduktion auf dem Terminplan.

Diesseits des Atlantiks wird am Dienstag der ZEW-Index veröffentlicht, der die Stimmung der Börsianer widerspiegelt. "Auch wenn die Wachstumsprognosen für Deutschland bis zuletzt nach oben revidiert wurden, mehren sich die Zeichen, dass der Aufschwung zumindest etwas an Fahrt verlieren wird", sagte Commerzbank-Experte Weidensteiner. Daher werde der Index wohl zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren unter null Punkte fallen.

(APA/Reuters)

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